Sowohl Aevis Victoria als auch Biotelemetry buhlten seit Monaten um den Telemedizinanbieter Lifewatch. Allerdings konnte der US-Konzern dabei auf die Unterstützung des Lifewatch-Verwaltungsrats zählen, während dieser die Offerte von Aevis ablehnte.

Aevis Victoria bot rund 10 Franken in bar oder in eigenen Anteilen pro Aktie. Biotelemetry offerierte bereits zu Beginn mit einer Mischung aus Baranteilen und eigenen Aktien einen höheren Preis. Am Dienstagabend legte der US-Konzern nochmals nach. Das neue Angebot entspricht zum Kurs von Dienstagabend etwa 14,60 Franken pro Aktie und hat einen Gesamtwert von rund 270 Millionen Franken.

In der Folge beschloss Aevis Victoria, sich zurückzuziehen und das Angebot von Biotelemetry zu unterstützen, wie die Gruppe am Mittwoch mitteilte. Aevis Victoria sicherte zu, ihre Anteile von knapp 12 Prozent dem US-Konzern anzudienen.

"KEIN PREISWETTKAMPF"

"Wir haben immer gesagt, dass wir uns nicht auf einen Preiswettkampf einlassen", sagte Aevis-Sprecher Philippe Blangey der Nachrichtenagentur sda. Aevis Victoria sei nach wie vor überzeugt, dass Lifewatch von der Unterstützung eines Ankeraktionärs profitieren würde. Biotelemetry sei ein solcher strategischer Aktionär mit einer starken Präsenz im Gesundheitssektor.

Die unterschiedlichen Angebote erklärt Blangey auch mit unterschiedlichen Strategien: Während Lifewatch bei Aevis Victoria als eigenständiges Unternehmen innerhalb des Unternehmensverbundes restrukturiert worden wäre, ergäben sich zwischen Biotelemetry und Lifewatch Synergiemöglichkeiten, die der US-Konzern mitkaufe - was sich dementsprechend im Preis spiegle.

Die vor allem in den USA tätige Lifewatch und Biotelemetry bieten beide Dienstleistungen zur Überwachung der Herztätigkeit an. "Für uns ist das Angebot von Biotelemetry eine gute Offerte", sagte der Sprecher weiter. Die Gruppe dürfte für ihre knapp 12% Aktienanteile über 30 Mio CHF einstreichen und damit einen Gewinn von über 10 Mio CHF erzielen.

TELEMEDIZIN BLEIBT KLEINES STANDBEIN

Aevis Victoria wollte mit Lifewatch die eigene Telemedizin verstärken. Die Freiburger sind mit 40% am Telemedizin-Anbieter Medgate beteiligt und betreiben die zweitgrösste Privatklinik-Gruppe der Schweiz, eine Luxushotelkette sowie Gesundheitsimmobilien. Mit der Übernahme wäre die Telemedizin zum zweitgrössten Standbein der Gruppe ausgebaut worden.

Zur weiteren Strategie in der Telemedizin gibt sich Aevis Victoria bedeckt: Es werde sich zeigen, wie sich das Standbein weiterentwickle, sagte Blangey. Die Gruppe werde jedenfalls ihre Angebote rund um die Gesundheit weiter ausbauen. Jüngst hat sie etwa ein Angebot für die Privatklinik Linde in Biel vorgelegt.

Bei Lifewatch waren die Freiburger letztes Jahr im Rahmen einer Kapitalerhöhung eingestiegen. Anfang 2017 folgte schliesslich ein offizielles Übernahmeangebot. Doch der Verwaltungsrat des Zuger Unternehmens sah wenig strategischen Nutzen in einem Zusammenschluss und hielt den Preis für zu tief. Er holte zusätzliche Angebote ein. Im April einigte sich Lifewatch mit Biotelemetry auf eine Übernahme.

AEVIS-ENTSCHEID "POSITIVES ZEICHEN"

Für Lifewatch ist es ein positives Zeichen, dass Aevis nun das Angebot des US-Konzerns angenommen hat. Damit könne die Gruppe eine Leitfunktion für andere Grossaktionäre haben, sagte Sprecher Ralph Spillmann.

Die Aktionäre haben neu bis am 8. Juni Zeit, sich für einen Verkauf ihrer Anteile zu entscheiden. Als frühestes Vollzugsdatum der Übernahme wird der 12. Juli genannt. Am Mittwoch legte die Lifewatch-Aktie um knapp 4% auf 13,90 CHF zu.

Lifewatch hat im vergangenen Jahr einen Reinverlust von 13,4 Mio USD geschrieben. Der Umsatz betrug 113,8 Mio USD. Der Telemedizin-Anbieter will sich zu einem reinen Dienstleistungsunternehmen entwickeln und die Organisation straffen. Von der Übernahme durch Biotelemetry verspricht sich Lifewatch, seine Ziele schneller erreichen zu können.

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(AWP)