Die erste Auflage haben SP, Grüne, Gewerkschaften, unzufriedene Gemeinderäte, von Budgetkürzungen bedrohte Stadtpräsidenten, Bildungspolitiker und Kirchenvertreter im Februar 2017 zu Fall gebracht. Zu einseitig, zu intransparent und zu teuer, befand die grosse Mehrheit an der Urne.

Die Schweiz steht zwar immer noch auf keiner schwarzen Liste. Doch der internationale Druck auf die kantonalen Steuerprivilegien bleibt hoch, die Unternehmen sind verunsichert. Nach der verlorenen Abstimmung lancierte der Bundesrat umgehend eine Neuauflage. Weil der Begriff Unternehmenssteuerreform schon einen Beigeschmack hatte, nannte er diese Steuervorlage 17. Am Mittwoch diskutiert der Nationalrat darüber.

Sozialer Ausgleich

Im Zentrum steht wiederum die Abschaffung kantonaler Steuerprivilegien. Um die betroffenen Unternehmen trotzdem in der Schweiz zu halten, sind neue Vergünstigungen vorgesehen, und zwar für alle Firmen. Dazu gehören etwa Patentbox und Forschungsabzüge. Zudem senken die Kantone die Gewinnsteuern.

Im Unterschied zur Unternehmenssteuerreform III enthält die Steuervorlage 17 auch ein soziales Gegengeschäft. Dieses soll der Vorlage zu einer Mehrheit an der Urne verhelfen. Der Bundesrat stellte die Aufstockung der Familienzulagen zur Diskussion. Damit überzeugte er nicht, weil nur ein Teil der Bevölkerung profitiert hätte.

Die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK) zimmerte stattdessen eine Lösung, die für die AHV eine Finanzspritze von gut 2 Milliarden Franken vorsieht. So hoch werden die gesamten Steuerausfälle durch der Steuervorlage geschätzt.

Im Ständerat ging das noch durch, trotz des Griffs in die Lohntüte und in die Bundeskasse. Für FDP und CVP rückte die dringend herbeigesehnte Unternehmenssteuerreform in Reichweite. Die Linke konnte ihrer Basis Zugeständnisse bei der Altersvorsorge, bei der Dividendenbesteuerung und beim Kapitaleinlageprinzip vorweisen.

Sogar für den unzufriedenen Kanton Zürich hatte man mit einem Abzug auf hohem Eigenkapital eine massgeschneiderten Lösung gefunden. Mit soliden 34 Stimmen brachte Mitte-Links Deal durch den Ständerat.

Hauchdünne Mehrheit

Die Nationalratskommission hat diese Eintracht letzte Woche empfindlich gestört. Sie stimmte dem Paket zwar ohne wesentliche Abstriche zu, allerdings denkbar knapp mit 12 zu 11 Stimmen. Im Plenum werden alle Spannungen, die im Ständerat noch unter den Teppich des politischen Kompromisses gekehrt worden sind, offen aufbrechen.

Die SVP-Abordnung hatte schon in der kleinen Kammer fast geschlossen gegen den "AHV-Steuerdeal" votiert. Doch dort verfügt sie lediglich über sechs Stimmen. Im Nationalrat hat die Fraktion mit 68 Stimmen ein anderes Gewicht. Doch geschlossen tritt sie nicht auf. Vor allem Gewerbler und Westschweizer unterstützen die Lösung des Ständerats. Die SVP-Fraktion hat sich am Dienstag mit 33 zu 13 Stimmen dagegen ausgesprochen, wie Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) vor den Medien sagte.

Zünglein an der Waage

Widerstand kommt auch aus anderen Fraktionen. Die Grünen sind gegen die formelle Verknüpfung von Steuervorlage und AHV-Zuschuss, Grünliberale und BDP haben grundsätzliche Vorbehalte gegen den AHV-Steuerdeal. Zusammen führen sie bis zu 26 Stimmen für die Gegner ins Feld. Auch bei der FDP gibt es kritische Stimmen gegen den AHV-Deal, etwa Hans-Peter Portmann (ZH) oder Kurt Fluri (SO). Wer von ihnen in der Gesamtabstimmung tatsächlich den roten Knopf drückt, ist offen.

Damit kommt es auf die Linke an. Abweichler können die Vorlage zu Fall bringen. Einige Fraktionsmitglieder, darunter die ehemaligen Juso-Präsidenten Cédric Wermuth (AG) und Fabian Molina (ZH) haben Parteichef Christian Levrat bereits die Gefolgschaft verweigert. Sie werfen der SP-Spitze vor, nach dem Abstimmungssieg vom Februar 2017 zu wenig herausgeholt zu haben.

Zittern in der Schlussabstimmung

Alternativen zur Lösung des Ständerats liegen auf dem Tisch. Die Grünen möchten Steuervorlage und AHV in separaten Gesetzen unterbringen, über die getrennt abgestimmt wird. SVP, GLP und BDP sehen in der Aufteilung eine Gelegenheit, den AHV-Teil gleich ganz fallenzulassen. Es gibt auch Anträge, mit der Steuerreform das Frauenrentenalter auf 65 Jahre anzuheben, Sans-Papiers von der Sozialhilfe auszuschliessen oder die Entwicklungshilfegelder zu kürzen.

Voraussichtlich wird sich für keine dieser Lösungen eine Mehrheit finden. Entsprechend gross wird am Ende die allseitige Unzufriedenheit sein. Damit ist offen, ob in der Schlussabstimmung eine Mehrheit für die Steuervorlage 17 stimmt.

(AWP)