In den letzten Monaten erhielt eine kleine Bank aus Olten unerwartet viel Platz in der Weltpresse. Die Alternative Bank Schweiz (ABS) führte per 1. Januar 2016 auf ihren Privatkonten einen negativen Zinssatz von 0,125 Prozent ein. Ab einem Guthaben von 100’000 Franken beträgt der Strafzins seither sogar -0,75 Prozent - analog zum Zinssatz der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die ABS betrat damit weltweit Neuland und fand Erwähnungen vom Wall Street Journal bis zum japanischen Staatsfernsehen.

"Ich bin enttäuscht. Wir wollten für unser Geschäftsmodell bekannt werden und nicht für die Negativzinsen", sagte Martin Rohner, Vorsitzender der ABS-Geschäftsleitung, am Finanz- und Immobilienkongress in Bern. Dennoch zieht Rohner eine klar positive Bilanz des Negativ-Regimes. Dank des Medienrummels habe die ABS unter dem Strich Kunden gewonnen. Und noch wichtiger: Bilanzsumme und Kundenausleihungen hätten sich wie gewünscht entwickelt.

Im ersten Halbjahr 2016 nahm die Zahl der Kunden um knapp 300 auf 30’894 zu. Das ist deutlich weniger Wachstum als im langjährigen Durchschnitt. 2015 waren es im gesamten Geschäftsjahr noch rund 1000 Neukunden, im Jahr davor waren es 2500 und 2013 gab es einen Zuwachs von 2000 Personen. Das wirkt sich auch auf die Gesamtsumme der verwalteten Vermögen aus: Die Kundengelder nahmen im ersten Halbjahr um 0,7 Prozent ab.

Noch keine Nachahmer

Gegenüber Reuters sagte die ABS im September, durchschnittlich 550 Kunden pro Monat hätten die Bank aufgrund der Negativzinsen verlassen. Weil die Oltener mit den Negativzinsen auch die Kontogebühren auf 36 Franken im Jahr erhöhten, hätten viele Schnäppchenjäger die Bank wieder verlassen, so Rohner in seinem Referat.

Noch ist keine andere Schweizer Bank in derselben Konsequenz dem Beispiel der ABS gefolgt. Zwar gibt es eine Reihe von Instituten, die institutionelle oder vermögende Privatkunden zur Kasse bitten. Doch die Zeichen verdichten sich, dass es eine Frage der Zeit ist, bis weitere Retailbanken folgen. Zuletzt machte die Postfinance Schlagzeilen mit der Ankündigung: Für Beträge, die die Schwelle von 1 Millionen Franken übersteigen, müssen Kunden künftig eine Gebühr von 1 Prozent bezahlen. Unlängst schlossen auch die Migros Bank, Raiffeisen oder die UBS eine Einführung von Strafzinsen nicht aus.

Schweizer sind treue Kunden

Dass bei den Strafzinsen keine Bank vorprescht, hat seine Gründe: Laut einer aktuellen Umfrage des Finanzdienstleisters Moneypark würde jeder vierte Schweizer sein Geld abheben, wenn Banken solche Negativzinsen auf breiter Front einführen würden. Dennoch ist das international gesehen ein relativ tiefer Wert.

Eine Studie aus Deutschland kam im April zum Schluss, dass bei Minuszinsen auf Bankkonten rund 50 Prozent aller Deutschen ihr Geld in bar halten würden, 40 Prozent stattdessen ihr Geld in Aktien, Fonds oder Devisen anlegen würden und nur rund 10 Prozent ihr Konto unverändert stehen liessen.

Eine andere Studie der niederländischen ING Bank rechnet damit, dass in Europa in einem solchen Fall ungefähr drei Viertel aller Personen ihr Geld vom Sparkonto abheben würden, während die restlichen Befragten nichts tun oder gar noch mehr sparen würden. Die traditionelle Treue von Schweizerinnen und Schweizern im Umgang mit Geld könnte den Banken also in die Hände spielen.

Rückblickend sagt Martin Rohner von der ABS, der Schritt hin zu Negativzinsen sei nicht einfach gewesen. Und eine Vielzahl anderer Optionen sei geprüft worden. "Wir rechneten mit einem Ansturm, Mitarbeiter durften nach der Ankündigung für bestimmte Zeit nicht in die Ferien." Doch nicht nur das Medienecho überraschte die ABS, auch die meisten Kunden, die sich zu Wort meldeten, zeigten für den legendären Schritt Verständnis.