Zwar haben Regierung und Parlament nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Politikern der Grünen und der SP sowie zahlreichen Umweltverbänden geht das aber zu langsam. Deshalb verlangen sie in einem Gesetzesentwurf verbindliche Abschaltfristen für die Atommeiler.

Wird die Volksinitiative "Für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie" angenommen, müssten drei der insgesamt fünf Schweizer Kernkraftwerke bereits im kommenden Jahr vom Netz genommen werden. Die beiden verbleibenden Anlagen würden in den Jahren 2024 und 2029 abgeschaltet. Die Initiatoren sehen in den in die Jahre gekommenen Atomkraftwerken in Ballungsgebieten vor allem ein Sicherheitsrisiko. Beznau I, seit 1969 in Betrieb, gilt als ältestes kommerzielles AKW der Welt. Stattdessen sollen erneuerbare Energiequellen wie Wasser, Sonnen, Wind und Biomasse ausgebaut werden.

Regierung, Parlament und Wirtschaftsverbände lehnen die Initiative ab und schlagen stattdessen einen schrittweisen Atomausstieg bis 2050 vor. Sie fürchten um die Versorgungssicherheit und warnen, dass die Schweiz in den nächsten Jahren viel Strom importieren müsste: Der Bezug aus Kernkraftwerken in Frankreich oder Kohlekraftwerken in Deutschland wäre ökologisch nicht sinnvoll. Zudem könnten die Kraftwerksbetreiber vom Bund - und damit letztlich von den Steuerzahlern - Schadenersatz fordern. In Deutschland, das bis 2022 aus der Kernenergie aussteigen will, haben die AKW-Betreiber vor Gericht milliardenschwere Schadenersatzforderungen geltend gemacht.

Meinungsforscher erwarten am Sonntag ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In der jüngsten Umfrage des Instituts gfs.bern liegen Befürworter und Gegner der Atomausstiegsinitiative nahezu gleichauf, wobei der Trend im Vergleich zur vorangegangenen Befragung in Richtung Ablehnung geht. Die AKWs produzieren rund 40 Prozent des Stroms in der Schweiz, der Rest kommt zum überwiegenden Teil aus Wasserkraftwerken. Alle fünf Kernkraftwerke haben eine unbefristete Betriebsbewilligung, das heisst, sie dürften laufen, solange sie als sicher eingestuft werden.

Betreiber fürchten hohe Ausstiegskosten

"Egal wie die Abstimmung ausgeht, Der Ausstieg aus der Atomenergie wird Milliarden Dollar kosten", erklärte ein Sprecher des Stromkonzerns Alpiq. "Für Alpiq ist unter den gegenwärtigen Umständen der Weiterbetrieb der Anlagen die Option, die den geringsten Schaden verursacht." Der AKW-Betreiber sieht bei einer Annahme der Initiative rund 2,5 Milliarden Franken Schaden auf sich zukommen. Die Betreibergesellschaften Alpiq, Axpo - ein Stromproduzent im Besitz mehrerer Schweizer Kantone - und BKW haben angedeutet, dass sie bei einem Ja mehr als sieben Milliarden Franken einfordern könnten.

Die Netzwerkgesellschaft Swissgrid hält es für unwahrscheinlich, dass das Starkstrom-Übertragungsnetz bis 2017 so angepasst werden kann, dass es eine Abschaltung von Kernkraftwerken ausgleichen kann. Ein starker Strompreisanstieg droht im Fall einer Abschaltung aber wohl nicht: Poyry Management Consulting hat ausgerechnet, dass wegen der Überkapazitäten in Deutschland nur geringe Anhebungen auf die Verbraucher zukommen würden.

In Deutschland stellt man sich auf höhere Stromexporte ein. "In der Schweiz liegen die Strompreise heute schon regelmässig über den Preisen in Deutschland, und daher wird deutscher Strom von der Schweiz importiert", erklärte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Bei einer Abschaltung von Schweizer AKWs würde sich das noch erweitern. An der Versorgungssicherheit in Deutschland und speziell in Südwestdeutschland dürfte sich aber nichts ändern. "Die technischen Exportkapazitäten von Deutschland in die Schweiz sind physikalisch heute schon ausgelastet", erklärte die Sprecherin. Auch das Wirtschaftsministerium in Berlin betonte: Auswirkungen für den deutschen Stromkunden seien nicht zu erwarten.

(Reuters)