Die beiden Schweizer Pharma-Titel Novartis und Roche im Schwergewichtsindex SMI haben derzeit ein deutliches Reputationsproblem. Der Genussschein von Roche ist auf einem Fünf-Jahres-Tief, Analysten haben das Papier reihenweise heruntergestuft. Auch die Aktie von Novartis hat seit Anfang Jahr einen Zehntel ihres Werts verloren.

Bei der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) teilt man den Pessimismus, der Pharmatitel im Moment umweht, aber nicht. Auf der Pharmabranche habe in der Tat viel gelastet, sagt Thomas Heller, Anlagechef des zentralschweizerischen Staatinstituts. Debatten um hohe Medikamentenpreise, Patentabläufe, Wachstumssorgen und andere Probleme hätten dazu geführt, dass Pharma-Aktien schlechter performt hätten als der gesamte Markt. "Aber wir glauben, dass da einiges in den Kursen eingepreist ist", sagt Heller im cash-Börsen-Talk.

Dank der tiefen Bewertungen habe der Pharmasektor Aufholpotenzial. Auf Basis der geschätzten Gewinne für die nächsten zwölf Monate  beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für Novartis 14 und für Roche 12.

Insbesondere Novartis gibt Heller gute Noten. Im Wachstumsmarkt der Biosimilars, also biotechnisch erzeugten Nachahmerprodukten, verfüge der Konzern über eine gute Position. Auch die Fokussierung des Geschäfts mit dem Verkauf der US-Generikasparte und der Abspaltung der Augensparte Alcon, die im kommenden Jahr über die Bühne gehen soll, dürfte den Kurs stützen. Einen Aktienrückkauf oder eine Sonderdividende schliesst Heller bei Novartis nicht aus.

«Für Bank-Aktien braucht es ein positives Weltbild»

Roche sieht Heller etwas kritischer, rät aber nicht prinzipell von einem Invesment ab: "Auch Roche steht nicht schlecht da - ist aber im Moment eher etwas für den mutigeren Anleger." Deutlich weniger enthusiastisch ist die SZKB bei der UBS oder der Credit Suisse (CS). Auch die Bank-Aktien im Schweizer Schwergewichts-Index SMI haben derzeit einen schweren Stand. Die CS hat am Markt seit Anfang Jahr 12 Prozent an Wert eingebüsst, die UBS sogar 15 Prozent.

Grosse Banken seien Risken ausgesetzt, mit denen Anleger umgehen müssten: Rechtsrisiken, Währungschwankungen und vor allem auch Kreditrisiken. Hellers Kommentar zu UBS und CS lautet: "Wenn Sie in Grossbanken investieren wollen, dann müssen Sie ein sehr positives Weltbild haben - bezüglich der Konjunktur, der Finanzmärkte allgemein und speziell auch dem Wachstum in Asien." Seine Bank lässt die Finger von den Grossbankentiteln.

Wenn Anleger in Banken investieren wollen, sollen sie sich nach Einschätzung der SZKB eher kleinere Aktien im Schweizer Markt aussuchen, wie beispielsweise die erfolgreiche Kreditbank Cembra oder die dividendenstarke Banque Cantonale Vaudoise. Die Stabilität der Schweizer Wirtschaft spreche für diese Unternehmen, zumindest, solange die gute Konjukturlage anhalte. "Erst wenn die Zinsen ansteigen, muss man die Lage neu anschauen."

Politik beeinflusst Märkte deutlich

Einen verstärkten Einfluss auf das Finanzgeschehen haben nach Hellers Einschätzung im Moment die Vorgänge in den Hauptstäden der Welt, innerhalb und ausserhalb Europas: "Die Politik hat das Zepter an den Märkten übernommen."

Mit der Griechenland-Krise 2015, dem britischen EU-Austrittsvotum vor knapp zwei Jahren oder der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten im November 2016 haben die Märkte zwar schon einige politische Entwicklungen erlebt, mit denen sie nicht gerechnet hatten. 2017 war geprägt von Wahlen in mehreren der grossen Volkswirtschaften der Welt, die von establishmentkritischen oder neu gegründeten Parteien geprägt wurden. Ausser kurzen Verwerfungen lösten diese Ereignisse weltweit aber keine grösseren Kursstürze aus.

2018 sei aber anders: Heller ist der Ansicht, dass die Regierungsbildung in Italien und die Konflikte um die Handelbeziehungen der USA zum Rest der Welt die Märkte derzeit stärker bewegen, als dies Polit-Ereignisse in den vergangenen Jahren taten. Die Volatilität und Richtungslosigkeit der Börsen in den vergangenen Wochen sei Ausdruck davon: "Politische Ereignisse haben jetzt plötzlich Konsequenzen und Marktkorrekturen zur Folge." Zu sehen war dies zuletzt nicht nur bei Aktien, sondern auch an den Anleihenmärkten.

Frankenaufwertung «nicht dramatisch»

Nervös war zuletzt auch die Entwicklung des Euro-Franken-Kurses. Dieses von der Exportwirtschaft mit Argusaugen verfolge Wechselverhältnis hat sich innerhalb der Monatsfrist von einem Dreieinhalbjahres-Höchstwert bei knapp 1,20 auf aktuell 1,1632 abgesenkt. Die Unsicherheiten um die Regierungsbildung in Italien hatten den Kurs Ende Mai gar auf ein Tief bei 1,1369 gedrückt.

Heller relativiert die Währungsbewegungen aber etwas: "Wir sind von 1,20 auf 1,14 gefallen, aber im grösseren Zusammenhang betrachtet ist die Aufwertung des Frankens gar nicht so gross." Handelsgewichtet, also mit einem Währungskorb aus Dollar, Euro, Yen und Pfund verglichen, sei der Franken jetzt nur moderat stärker als Anfang 2018. Somit sei weder der Anstieg des Euro-Franken-Kurses auf 1,20 noch der Rückfall in die Region von 1,14 als übermässig dramatisch einzustufen. In der Einschätzung der SZKB hat der Euro zum Franken nach wie vor eine Aufwertungstendenz.

Im cash-Börsen-Talk nimmt Thomas Heller auch Stellung zur anstehenden Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB), bei der über das Ende der umstrittenen Anleihenkäufe durch die Notenbank diskutiert werden soll. Heller sagt vor diesem Hintergrund auch, ob er eine neuerliche Eurokrise für wahrscheinlich hält und wie glaubhaft Spekulationen um einen Austritt Italiens aus der Währungsgemeinschaft seien.