Der Höhepunkt sei noch nicht erreicht, sagte Daniel Koch, Delegierter des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) für Covid-19, am Samstag vor den Bundeshausmedien in Bern. Für eine Lockerung der Massnahmen sei es viel zu früh. Er wiederholte den Appell, zu Hause zu bleiben und Menschenansammlungen dringend zu meiden. Nur so könne die Ausbreitung eingedämmt werden.

Wie sich die Bevölkerung beim zunehmend schönen und warmen Wetter daran hält, bleibt vorerst schwer zu beurteilen. Im Kanton St. Gallen etwa kam es bis am Samstagmorgen innerhalb von 24 Stunden zu zahlreichen Verstössen gegen Behördenanweisungen wegen der Coronavirus-Pandemie. Die Polizei intervenierte bei Kontrollen in 39 Fällen, weil es zu grösseren Menschenansammlungen gekommen war.

Über 20'000 Infizierte

Die Zahl der in der Schweiz und Liechtenstein nachgewiesenen Covid-19-Infektionen ist laut Bund innerhalb eines Tages um 975 Fälle auf 20'278 gestiegen. Die Kantone meldeten am Samstag insgesamt 647 Tote - 75 mehr als am Vortag.

Dies ergab die Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die sich auf die offiziellen Angaben der Kantone stützt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab am Samstag die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung mit 540 an. Es stützt sich auf Angaben der Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte.

Nur 6 Prozent der Todesopfer unter 65

Bei den Toten waren laut BAG 64 Prozent Männer. Die Altersspanne der verstorbenen Personen betrug 32 bis 101 Jahre. Laut Koch sind nur sechs Prozent von ihnen unter 65 Jahre alt, das mittlere Alter lag bei 83 Jahren.

97 Prozent der Toten litten zuvor an mindestens einer Vorerkrankung. Die drei am häufigsten genannten Vorerkrankungen waren Bluthochdruck (69 Prozent), Herz-Kreislauferkrankungen (55 Prozent) und Diabetes (29 Prozent).

Mittlerweile weist die Schweiz eine der höchsten Raten an Neuansteckungen in Europa auf: Die Inzidenz beläuft sich auf 236 Fälle pro 100'000 Einwohner. Bezogen auf die Einwohnerzahl sind die Kantone Tessin, Genf, Waadt und Basel-Stadt weiterhin am stärksten von der Pandemie betroffen.

15 Prozent der Getesteten sind positiv

Die Zahl der durchgeführten Tests auf Covid-19 beläuft sich bisher insgesamt auf rund 153'440. Davon fiel das Resultat bei 15 Prozent der Fälle positiv aus. Verlässliche Zahlen zur Dunkelziffer konnte Koch noch nicht nennen.

Die Coronakrise führt zu einer Explosion der Kurzarbeitsgesuche: Bis Freitagabend wurde für 1,3 Millionen Angestellte Kurzarbeit angemeldet. Das entspricht laut Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Staatssekretärin für Wirtschaft, einem Viertel der Beschäftigten in der Schweiz.

"Das zeigt die grosse Tragweite der Unsicherheit bei den Unternehmen." Viele Betriebe würden nicht ohne Schaden aus der Krise kommen. Trotzdem sollen die vom Bundesrat beschlossene Soforthilfe von rund 60 Milliarden Franken "Zuversicht ausstrahlen".

Arbeitgeberpräsident zurückhaltend

Für Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt liegt es einzig und allein am Bundesrat, ob die Bedingungen für die Wirtschaft ab dem 20. April gelockert werden. Vogt liess sich in der "Samstagsrundschau" von Schweizer Radio SRF zu den Forderungen nach einer Lockerung, wie sie der Gewerbeverband und die SVP anmahnen, nicht aus der Reserve locken.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband arbeite an der Exit-Strategie. Er gehe davon aus, dass man in rund einer Woche soweit sein dürfte mit einem "konsistenten Plan". Beim Wiederhochfahren gehe es nicht um die Frage Gesundheit oder Wirtschaft, sondern um Gesundheit und Wirtschaft, denn: "Niemand will eine zweite Ansteckungswelle."

Notfallpatienten bleiben zuhause

Wegen der grassierenden Coronavirus-Pandemie bleiben offenbar Menschen selbst mit medizinischen Notfällen vermehrt zuhause. Laut Rettungsdienstlern würden derzeit rund ein Drittel weniger Patienten in den Schweizer Notfallstationen eintreffen als vor der Pandemie.

Die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR) warnte am Samstag in einer Mitteilung, dass Zuwarten bei ernsthaften Notfällen zu Langzeitschäden führen könne. Trotz der Pandemie gebe es in den Rettungsdiensten und auf den Notfallstationen in der Schweiz derzeit genügend Kapazitäten.

Im Kampf gegen das Coronavirus leisten inzwischen 4900 Armeeangehörige Assistenzdienst. Tatsächlich im Einsatz sind derzeit nur 1300. "Warten ist nicht sehr sexy", sagte Brigadier Raynald Droz am Samstag vor den Bundeshausmedien. Es gehöre aber zur Mission. Diese dauert vorerst bis zum 30. Juni.

Armee rechnet nicht alle Diensttage an

Verteidigungsministerin Viola Amherd hatte am Samstag bekanntgegeben, dass nicht alle geleisteten Diensttage angerechnet werden. Allen Armeeangehörigen, die im Rahmen der Mobilmachung im Einsatz stünden, werde höchstens der WK angerechnet, den sie in diesem Jahr hätten leisten müssen, präzisierte Armeesprecher Stefan Hofer auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Tage, die darüber hinausgingen, seien à fonds perdu.

Droz hatte aber auch eine gute Nachricht für die Armeeangehörigen: Seit 1. April werden in begründeten Fällen individuelle Urlaube gewährt. Zudem erhalten die Armeeangehörigen ab Mitte April zwei Tage Urlaub ungefähr alle zwei Wochen - "falls es die Situation erlaubt", wie Droz präzisierte. Bisher waren keine Urlaube vorgesehen gewesen.

Das soll den Druck auf die Armeeangehörigen etwas lindern. Laut Droz haben die Kantone inzwischen 324 Anfragen an die Armee gerichtet. 93 davon sind laut Droz schon erledigt.

Zivilschützer helfen Polizei

In Genf unterstützen rund 200 Angehörige des Zivilschutzes über das Wochenende die Polizei bei der Durchsetzung der Vorgaben des BAG in öffentlichen Parks. Insgesamt sind im Moment landesweit rund 5000 Zivilschützer im Einsatz, überwiegend im Gesundheitswesen.

Wie Christoph Flury, Vizedirektor des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (VBS), am Samstag vor den Medien in Bern ausführte, ist die Mehrheit der Zivilschützerinnen und -schützer in der Westschweiz und im Tessin tätig. Von den insgesamt 2900 in der Westschweiz im Einsatz stehenden Personen sind allein im Kanton Waadt 1200 beschäftigt.

Grenzübergang im Baselbiet wieder offen

Der Grenzübergang Biel-Benken im Kanton Basel-Landschaft an der Grenze zu Frankreich wird wieder für den Verkehr freigegeben. Ab Montag um 04.00 Uhr darf er von bestimmten Personen wieder passiert werden.

Die Zollverwaltung hat den Entscheid basierend auf einer Verkehrsanalyse und in Absprache mit den in- und ausländischen Partnerbehörden getroffen, wie sie schreibt.

Am Samstagnachmittag ist ein Flugzeug der Swiss in Zürich gelandet. Es handelt sich um den zweiten Flug innerhalb Europas im Rahmen der Rückholaktion des EDA. Am 12. März hat das EDA bereits vier Schweizer Staatsangehörige aus Kiew in der Ukraine zurückgeholt.

(AWP)