Der Protestzug wurde von "March for Change" organisiert, einem Zusammenschluss EU-freundlicher Gruppen. Die Puppe "sieht vielleicht ein bisschen nach unbeschwertem Spass aus, aber sie hat eine ernsthafte Botschaft", sagte Tom Brufatto, einer der Organisatoren.

Die aufblasbare Boris-Puppe namens "Baby Blimp" erinnert an "Baby Trump", eine riesige Figur am Himmel, die den US-Präsidenten Donald Trump während seines Besuchs in London im vergangenen Monat verspottete. In Grossbritannien wird mit dem Wort "Blimp" sowohl ein Luftschiff als auch ein selbstgefälliger Erzkonservativer bezeichnet.

Die Boris-Puppe trägt ein T-Shirt mit einem roten Doppeldeckerbus und dem Schriftzug "350 Millionen Pfund" darauf. Dies ist eine Anspielung auf eine Kampagne, mit der Johnson Wähler beim Brexit-Referendum in die Irre geführt haben soll.

Er hatte damals behauptet, dass das Vereinigte Königreich wöchentlich 350 Millionen Pfund (knapp 430 Millionen Franken) an die EU weiterleiten müsse. Dieses Geld könne besser in den staatlichen Gesundheitsdienst NHS investiert werden. Was Johnson jedoch verschwieg: Grossbritannien erhält einen erheblichen Teil seiner Beiträge zurück, etwa für die Landwirtschaft.

Haushoher Favorit

Am kommenden Dienstag gibt die Konservative Partei bekannt, wer der Nachfolger der scheidenden Premierministerin Theresa May wird. Haushoher Favorit ist Johnson, dem viele zutrauen, enttäuschte Brexit-Wähler wieder ins Boot zu holen. Seinem Konkurrenten Aussenminister Jeremy Hunt, werden kaum Chancen eingeräumt. Bereits am Mittwoch soll der neue Premierminister dann May ablösen.

Johnson will Grossbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union führen - "komme, was wolle". Er droht Brüssel auch mit einem ungeordneten Austritt. Das hätte jedoch grosse negative Folgen für die Wirtschaft und zahlreiche andere Lebensbereiche.

In Grossbritannien wird mit Ministerrücktritten zu Wochenbeginn und Neubesetzungen etlicher Posten im Kabinett nach Bekanntgabe des Siegers gerechnet.

Davis offenbar im Gespräch

Im Gespräch mit Johnson soll auch der frühere Brexit-Minister David Davis sein, wie der "Telegraph" am Samstag schrieb. Er war aus Protest gegen den Brexit-Kurs von May von seinem Posten zurückgetreten; Kritiker hielten ihn für faul und inkompetent. Davis könnte laut "Telegraph" Finanz- oder Aussenminister werden.

Unruhe gibt es auch in der Labour-Opposition, die heillos zerstritten ist. Parteichef Jeremy Corbyn wird die Vorwürfe nicht los, er tue nicht genug gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen. Im Oberhaus droht ihm sogar eine Meuterei.

Die Lords dürften am Montag bei einer Sondersitzung der Fraktion darüber entscheiden, ob ein Misstrauensantrag zur Abstimmung gebracht werden soll. Ein Votum gegen den Alt-Linken Corbyn hätte zwar nur symbolische Bedeutung, würde seinem Ansehen aber erheblich schaden.

(AWP)