Angesichts der Besorgnis über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus haben europäische Unternehmen rasch bei den Ausschüttungen an die Aktionäre den Rotstift angesetzt. Viele stehen auch unter politischem Druck, dies zu tun. Bisher haben mindestens 85 Unternehmen aus dem Benchmark-Index Stoxx 600 ihre Dividenden gestrichen oder verschoben.

Die Europäische Zentralbank kann Kreditinstitute zwingen, die Dividenden zu verschieben, sagte ihr oberster Bankenaufseher. Zwar sprechen reichliche Puffer und aufsichtsrechtliche Erleichterungen dafür, dass in diesem Sektor nur ein geringes Solvabilitätsrisiko besteht. Jedoch treten die Erträge der Aktionäre in den Hintergrund gegenüber der Kapitalerhaltung und der sozialen Wahrnehmung, schrieben die Bloomberg-Intelligence-Analysten Georgi Gunchev und Jonathan Tyce.

Deutschlands börsennotierte Unternehmen werden gebeten, die Dividendenzahlungen auszusetzen als Voraussetzung für eine Inanspruchnahme eines Hilfsprogramms mit Darlehen und Garantien der staatlichen Entwicklungsbank KfW. Die französische Regierung wird Dividenden-zahlenden Unternehmen finanzielle Unterstützung vorenthalten oder kürzen. Ausserdem forderte Paris die Geschäftsleitungen auf, Liquidität zu erhalten, um Mitarbeiter und Betriebe zu unterstützen. In Grossbritannien sagten britische Kreditinstitute am Dienstagabend, dass sie ihre Dividenden streichen werden, um Kapital zu erhalten. Damit reagierten sie auf ein Ersuchen der britischen Aufsichtsbehörde. Inzwischen droht Aktienrückkäufen weltweit ein ähnliches Schicksal.

Pensionsfonds, die stark in Dividendenwerte investiert sind, werden besonders schwer betroffen sein. Im Jahr 2019 schütteten kontinentaleuropäische Unternehmen rund 251 Milliarden Dollar an Dividenden aus, während britische Unternehmen ihren Aktionären 106 Milliarden Dollar zahlten, wie aus Daten von Janus Henderson hervorgeht. Strategen von Citigroup schrieben am Dienstag, dass die wirtschaftlichen Belastungen durch die Pandemie dazu führen könnte, dass sich die europäischen Dividendenzahlungen im Jahr 2020 halbieren, was ein Loch von etwa 178 Milliarden Dollar bedeuten würde.

(Bloomberg)