Der polnische Präsident Andrzej Duda geht bei dem tödlichen Einschlag einer Rakete nahe der Grenze zur Ukraine von einem einmaligen Vorfall aus und ruft dazu auf, Ruhe zu bewahren. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich der heutige Vorfall wiederholen werde, sagte Duda in der Nacht zum Mittwoch. "Wir haben im Moment keine schlüssigen Beweise dafür, wer diese Rakete abgefeuert hat ... es war höchstwahrscheinlich eine Rakete aus russischer Produktion", sagte Duda. Die Untersuchungen liefen. Zuvor hatte das polnische Aussenministerium den Einschlag einer Rakete aus russischer Produktion bestätigt. Diese sei um 15:40 Uhr (Ortszeit) in dem Dorf Przewodow niedergegangen, teilte das Ministerium mit. Duda erklärte weiter, dass Polen am Mittwoch um 10 Uhr (Ortszeit) an der Sitzung des Nordatlantikrats im Nato-Hauptquartier teilnehmen werde. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Botschafter die Aktivierung von Artikel 4 oder Konsultationen der Alliierten beantragen wird", sagte er. Artikel 4 sieht Beratungen vor, wenn ein Mitgliedsland sich bedroht sieht.

Bei einer Explosion in Przewodow, etwa sechs Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, wurden nach Angaben von Feuerwehrleuten zwei Menschen getötet. Medienberichten zufolge traf der Anschlag eine Getreidetrocknungsanlage. Der polnische Sender ZET führte die Explosion auf russische Raketen zurück. Russland wies dies zurück. Polen selbst erklärte nach einer Eil-Sitzung seines Sicherheitsrats, man versetze das Militär in erhöhte Bereitschaft. "Wir haben beschlossen, die Kampfbereitschaft ausgewählter Einheiten der polnischen Streitkräfte zu erhöhen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Überwachung des Luftraums", sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, stellten sich demonstrativ an die Seite des Verbündeten.

US-Präsident Joe Biden sicherte Polen bei der Aufklärung des Vorfalls die volle Unterstützung der USA zu. Die US-Regierung erklärte, sie könne die Berichte über den Einschlag russischer Raketen zunächst nicht bestätigen. Auch Bundesaussenministerin Annalena Baerbock vermied eine Festlegung zur Ursache. Sie schrieb auf Twitter, ihre Gedanken seien mit dem "engen Verbündeten und Nachbarn" Polen. Man stehe mit der Regierung in Warschau und der Nato in Kontakt.

Das russische Verteidigungsministerium bezeichnete die polnischen Angaben zu den Raketeneinschlägen umgehend als "bewusste Provokation". Diese habe das Ziel, die Situation zu eskalieren, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax das Ministerium. Es habe keine Angriffe mit russischen Waffen auf Ziele nahe der Grenze gegeben. Russland hatte am Dienstag Dutzende Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe berichtete von 100 Geschossen. Jedoch hätten nur zehn ihre Ziele erreicht.

Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen (G7) sowie Spanien und die Niederlande, die sich alle zum G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali aufhalten, hielten eine Dringlichkeitssitzung ab, um auf den Raketenangriff in Polen zu reagieren. Zu den G7-Staaten zählen die Vereinigten Staaten, Deutschland, Frankreich, Kanada, Italien, Grossbritannien und Japan.

Litauen, Lettland, Estland, Norwegen, Belgien, Tschechien und weitere Staaten erklärten in ersten Reaktionen, sie bemühten sich um weitere Informationen. "Russlands Leichtsinnigkeit gerät ausser Kontrolle", schrieb der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad auf Twitter. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte indes, es habe sich um russische Raketen gehandelt. Damit eskaliere die Lage und es müsse eine Reaktion geben. Die Ukraine habe seit langem davor gewarnt, dass sich die russischen Aktionen nicht auf die Ukraine beschränken würden.

(Reuters)