Das saudische Aussenministerium wies den Bericht umgehend als "falsch" und "inakzeptabel" zurück. Er enthalte "fehlerhafte Informationen und Schlussfolgerungen" zur saudischen Führung, teilte das Ministerium mit. Das "schreckliche Verbrechen" stelle einen eklatanten Verstoss gegen saudisches Recht dar. Diejenigen, die es begangen hätten, seien verurteilt worden. Das Königreich lehne Massnahmen ab, die seine Souveränität und die Unabhängigkeit seiner Justiz verletzten.

Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden. Von seinem Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Khashoggi lebte im US-Bundesstaat Virginia und schrieb Kolumnen für die "Washington Post", die oft Kritik an der saudischen Monarchie enthielten.

Die Führung des islamisch-konservativen Königreichs war nach dem Verschwinden Khashoggis scharfer Kritik ausgesetzt. Sie räumte den Mord erst auf internationalen Druck hin ein. Die Spuren führten bis in das engste Umfeld des Kronprinzen, der aber bestritt, die Tötung selbst angeordnet zu haben.

Ein saudisches Gericht hatte im Herbst fünf Angeklagte zu 20 Jahren Haft verurteilt und damit eine zuvor verhängte Todesstrafe gegen die Beschuldigten aufgehoben. In dem US-Bericht werden neben dem Kronprinzen 21 Personen im Zusammenhang mit der Operation aufgeführt.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Berichts kündigte US-Aussenminister Antony Blinken am Freitag Einreisebeschränkungen gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens an. Das US-Finanzministerium setzte zugleich den früheren saudischen Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri und eine Eliteeinheit zum Schutz des Kronprinzen auf die Sanktionsliste. Für Kritik sorgte, dass die US-Regierung keine Strafmassnahmen gegen den Kronprinzen selbst verkündete, obwohl der Demokrat Biden das im Wahlkampf in Aussicht gestellt hatte.

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, der Demokrat Adam Schiff, forderte auf Twitter weitergehende Massnahmen. "Die Biden-Regierung sollte sicherstellen, dass die Konsequenzen für den brutalen Mord an Khashoggi nicht nur diejenigen treffen, die ihn ausgeführt haben, sondern auch denjenigen, der ihn angeordnet hat", schrieb er. "Der Kronprinz hat Blut an den Händen." Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, Sanktionen gegen den Kronprinzen seien keine Option gewesen, weil sie US-Militärinteressen hätten gefährden können. Saudi-Arabien ist traditionell ein enger Verbündeter der USA.

Aussenminister Blinken verteidigte das Vorgehen der Regierung. "Die Massnahmen, die wir ergriffen haben, zielten also nicht darauf ab, die Beziehung abzubrechen, sondern darauf, sie neu zu kalibrieren, um sie besser mit unseren Interessen und Werten in Einklang zu bringen", sagte er bei einer Pressekonferenz.

Blinken verkündete am Freitag eine Visa-Neuregelung mit dem Namen "Khashoggi-Verbot". Sie erlaube es seinem Ministerium, Visabeschränkungen gegen Personen zu verhängen, die im Auftrag ausländischer Regierung an Aktivitäten gegen Dissidenten ausserhalb ihres Landes beteiligt seien, teilte er mit. "Extraterritoriale Drohungen und Übergriffe Saudi-Arabiens gegen Aktivisten, Dissidenten und Journalisten" würden von den USA nicht toleriert werden.

Biden-Vorgänger Trump hatte mit Riad Waffengeschäfte in Milliardenhöhe abgeschlossen. Der Republikaner war mit einer eher laxen Haltung mit Blick auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter des Kronprinzen. Washington verhängte im Zusammenhang mit dem Mord an dem Journalisten zwar Sanktionen gegen mehr als ein Dutzend ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter. Trump hielt aber an seiner Unterstützung für das Königshaus in Riad fest.

Die Regierung des Demokraten Biden hat deutlich gemacht, dass sie das Verhältnis zu Saudi-Arabien neu ausrichten werde. Biden hatte bereits im Wahlkampf einen härteren Kurs gegenüber Saudi-Arabien versprochen. Bei einer TV-Debatte im November 2019 hatte er die Frage bejaht, ob er als Präsident führende saudische Politiker wegen des Mordes an Khashoggi bestrafen werde. Biden hatte damals auch gesagt, er glaube, dass Khashoggi auf Befehl des Kronprinzen getötet worden sei.

Blinken bekräftigte am Freitag, dass die US-Regierung Waffenverkäufe an Saudi-Arabien bis zu einer Überprüfung ausgesetzt habe. In einer Abkehr von der Strategie Trumps hatte Bidens Regierung kurz nach Amtsantritt ausserdem angekündigt, im Jemen keine Kampfhandlungen des von Saudi-Arabien geführten Bündnisses gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen mehr unterstützen zu wollen.

Khashoggi pflegte lange enge Beziehungen zum saudischen Königshaus, fiel dann aber in Ungnade. 2017 ging er in die USA. Aus dem Exil äusserte er sich immer wieder kritisch zur saudischen Führung, vor allem in Kolumnen für die Zeitung "Washington Post". In der Türkei läuft derzeit ein Prozess wegen des Mordes an Khashoggi./cy/DP/mis

(AWP)