Die Anteilsscheine des Krisenkonzerns brachen am Montag in Hongkong um gut zwölf Prozent ein und schlossen mit 2,23 Hongkong-Dollar auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. "Die Aktie wird weiter fallen, weil es noch keine Lösung für die Liquiditätsprobleme der Firma zu geben scheint", sagte Kington Lin, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung beim Brokerhaus Canfield. Ausserdem sei unklar, wie eine mögliche Restrukturierung von Chinas zweitgrösstem Immobilienentwickler aussehen könne. Sollte der Kurs unter einen Hongkong-Dollar fallen, erwarte er eine Zerschlagung. Eine Rettungsaktion der Regierung in Peking halten Experten für unwahrscheinlich.

Evergrande hat einen 305 Milliarden US-Dollar schweren Schuldenberg aufgetürmt. Am Wochenende hatte der angeschlagene Konzern angekündigt, Investoren in seine Vermögensverwaltungsprodukte mit Immobilien auszahlen zu wollen. So sollen sich Anleger, die an der Rückgabe von Vermögensverwaltungsprodukten gegen Sachwerte interessiert seien, an ihre Anlageberater wenden oder eine lokale Niederlassung aufsuchen.

Unterdessen bilden einige Gläubiger Insidern zufolge Rückstellungen für Kreditausfälle, während andere Fristverlängerungen einräumen. In den kommenden Tagen werden allein bei zwei Evergrande-Anleihen mit Laufzeiten bis 2022 und 2024 Zinsen im Volumen von insgesamt rund 130 Millionen US-Dollar fällig. Offiziell wird ein Zahlungsausfall allerdings erst, wenn Evergrande die Nachfrist von 30 Tagen verstreichen lässt. Sollte es soweit kommen, könnten Gläubiger bei einer Umschuldung nur mit der Rückzahlung eines Bruchteils ihrer Forderungen rechnen, warnten Börsianer.

Die Talfahrt des Mutterkonzerns setzte auch Evergrande-Beteiligungen zu. So verloren die Immobilienverwaltungssparte und die Streaming-Tochter Hengten jeweils mehr als zehn Prozent. Ähnlich steil ging es für den Evergrande-Rivalen Sunac bergab. Konkurrent Greentown kam dank seiner staatlichen Beteiligung mit einem Minus von 6,4 Prozent vergleichsweise glimpflich davon.

Evergrande-Krise belastet Rohstoffmärkte

Die Evergrande-Krise sorgte auch an den Rohstoffmärkten für einen Ausverkauf. So steuerte der Kupferpreis mit einem Minus von knapp drei Prozent auf 9053 Dollar je Tonne auf den grössten Tagesverlust seit drei Monaten zu. "Bei einem Kollaps von Evergrande würden zahlreiche Immobilienprojekte gekippt", sagte Rohstoff-Experte Malcolm Freeman vom Brokerhaus Kingdom Futures. Dies würde die Industriemetall-Nachfrage signifikant dämpfen. Kupfer wird unter anderem für Stromkabel und Wasserrohre verwendet.

Vor diesem Hintergrund gingen die Aktien von Minen-Betreibern in die Knie. Der europäische Branchenindex fiel um mehr als vier Prozent und steuerte auf den grössten Tagesverlust seit einem halben Jahr zu.

(Reuters)