Auf den ersten Blick kommt die neue Lösung jener nahe, die der Bundesrat mit der "Lex USA" angestrebt hatte. Der Unterschied besteht darin, dass die Gerichte beim Entscheid über Datenlieferungen eine grössere Rolle spielen. Die Betroffenen haben die Möglichkeit, die Lieferung von Daten vor Gericht anzufechten. Da keine gesetzliche Grundlage besteht, ist unklar, wie die Richter entscheiden werden.

Mit der "Lex USA" wäre das Datenschutzgesetz vorübergehend gelockert worden, das es Mitarbeitenden, Anwälten und Treuhändern ermöglicht, sich gegen die Übermittlung von Daten zu wehren. Die Bestimmungen des Spezialgesetzes wären dem Datenschutzgesetz vorgegangen. Damit hätten Widerspruchsklagen der Betroffenen rasch abgewickelt werden können.

Weniger Rechtssicherheit

Nun ist der Ausgang offen. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf äusserte sich vor den Medien in Bern vorsichtig: Der Bundesrat wisse nicht, wie sich die Mitarbeitenden nun verhielten, sagte sie auf entsprechende Fragen.

Der Bundesrat habe den USA mitgeteilt, dass es "gewisse Abstriche" gebe. Ein grosser Teil des Programms könne aber auf Basis von Einzelbewilligungen umgesetzt werden.

Auflagen für die Banken

Zur Diskussion stand auch eine Lösung mit einer Verordnung. Der Bundesrat entschied sich aber für Einzelbewilligungen gestützt auf Artikel 271 des Strafgesetzbuches. Erhalten die Banken eine Bewilligung, gilt eine Datenlieferung nicht als strafbare Handlung für einen fremden Staat.

Die Banken müssen jedoch Bedingungen und Auflagen erfüllen. Wie diese genau lauten, will der Bundesrat erst nach Rücksprache mit den US-Behörden bekannt geben. Informiert hat er bloss über die Stossrichtung: Die Banken müssen den Persönlichkeitsrechten von Mitarbeitenden, Anwälten, Treuhändern und anderen betroffenen Dritten Rechnung tragen.

Mitarbeiterschutz

Sie müssen die Betroffenen also informieren, bevor sie den US-Behörden Daten mit Namen oder anderen Angaben übermitteln, die Rückschlüsse auf Personen zulassen. Bei den Mitarbeiterdaten sind weitergehende Fürsorgepflichten und ein Diskriminierungsschutz vorgesehen.

Der Bundesrat hat sich hier laut Widmer-Schlumpf an den Vorschlägen der ständerätlichen Wirtschaftskommission orientiert. Diese hatten zusätzliche Schutzbestimmungen zugunsten von Mitarbeitenden und Dritten in die "Lex USA" eingebaut, die am Ende dann am Widerstand des Nationalrats scheiterte. Der Bundesrat hatte jenen, die US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen haben, ursprünglich weniger Rechte einräumen wollen.

Mehr Rechte erhalten mit der neuen Lösung auch jene Banken, die von anderen US-Kunden übernommen haben. Die Banken dürfen zwar auch auf Basis der Einzelbewilligungen Leaver-Listen ("Abschleicher"-Listen) liefern, die Angaben darüber enthalten, wie viel Geld zu welchen Banken geflossen ist. Die Empfängerbanken haben aber das Recht, sich gegen Datenlieferungen zu wehren.

Keinen Unterschied gibt es dagegen bei den Kundendaten: Diese dürfen - wie bereits in der "Lex USA" vorgesehen - nur auf dem Weg der Amtshilfe übermittelt werden. Damit die USA auf Basis der ausgehändigten Daten via Gruppenanfragen an Kundendaten gelangen, muss der US-Senat allerdings noch das ergänzte Doppelbesteuerungsabkommen gutheissen. Die Schweiz habe Signale, dass er dies im Herbst tun werde, sagte Widmer-Schlumpf.

Weitere Gespräche mit den USA

Auf die Bewilligungen angewiesen sind zunächst jene zwölf Banken, gegen die in den USA bereits ein Strafverfahren eröffnet wurde. Sie könnten "ab morgen" um eine Bewilligung ersuchen, sagte Widmer-Schlumpf.

Was die Banken betrifft, gegen die noch kein Verfahren eröffnet wurde, führt der Bund weitere Gespräche mit den US-Behörden über ein Programm zur Vergangenheitsregelung. Für eine Teilnahme an einem solchen Programm würden aber auch diese Banken eine Einzelbewilligung benötigen.

Warnung vor Eskalation

Während der parlamentarischen Beratungen zur "Lex USA" hatte Widmer-Schlumpf stets vor den Folgen eines Neins gewarnt. Ohne Gesetz könnte der Steuerstreit eskalieren und Banken in ihrer Existenz gefährden, sagte sie - und deutete an, dass die Gerichte die Datenlieferungen wohl nicht genehmigen würden.

Nun versucht Widmer-Schlumpf, die neue Lösung gegenüber den USA als gangbaren Weg darzustellen. Was mögliche Klagen gegen Schweizer Banken betrifft, stellte die Finanzministerin fest, die Situation habe sich nicht entschärft, aber auch nicht verschärft.

Vor rund einem Jahr hatte der Bundesrat bereits einem Teil jener Banken, gegen die ein Strafverfahren läuft, die Lieferung von Daten mit Einzelbewilligungen erlaubt. Leaver-Listen durften die Banken aber gemäss Merkblatt der FINMA nicht aushändigen. Ob Banken dies dennoch bereits getan haben, ist unklar: Diese Frage könne sie nicht beantworten, sagte Widmer-Schlumpf. Fest steht aber, dass der Bundesrat bisher keine Bewilligungen dafür erteilt hat, wie es beim Finanzdepartement hiess.

(awp)