Noch bis am Sonntag - dem Tag der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz - waren nationale Massnahmen gegen das Coronavirus kein Thema. Am Montag wurde dann plötzlich bekannt, dass sich der Bundesrat am Dienstag zu einer Krisensitzung treffen will. Gemäss normalem Regierungsrhythmus wäre die nächste Sitzung erst am Freitag vorgesehen gewesen.

Grund für die ausserordentliche Sitzung waren die weiter ansteigenden Fallzahlen und die Verbreitung der neuen, als besorgniserregend eingestuften Virusvariante namens Omikron. Insbesondere die Variante hat den Bundesrat zum Handeln bewogen.

"Die neue Welle ist ein Schock für alle", sagte Bundespräsident Guy Parmelin am Dienstagnachmittag nach der Sitzung vor den Medien. Insbesondere die Kombination einer neuen Variante mit der aktuellen Situation. "Der Bundesrat wollte nicht bis nächsten Freitag warten, um die Situation zu analysieren."

Bestätigung von Omikron steht noch aus

Die Corona-Fallzahlen in der Schweiz steigen seit Wochen wieder steil an. Am Dienstag waren dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) 8422 neue Coronavirus-Ansteckungen, 22 neue Todesfälle und 138 Spitaleinweisungen gemeldet worden. Der Anstieg dieser Zahlen ist noch auf die Delta-Variante zurückzuführen. Wie sich die Situation im Hinblick auf die neue Variante entwickelt, ist noch unklar.

Bislang gibt es in der Schweiz erst ein paar Verdachtsfälle. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis der erste Fall in der Schweiz bestätigt sei, sagte Gesundheitsminister Alain Berset an der Medienkonferenz. Die Variante scheine sehr ansteckend zu sein, und vieles sei noch unbekannt, sagte Berset. "Kein Grund für Panik", beruhigte Berset, aber es herrsche eine neue Situation.

Es eilt offenbar: Konsultation von 24 Stunden

Aufgrund dieser Situation kam der Bundesrat am Dienstag zum Schluss: "Der Verzicht auf nationale Massnahmen ist für den Bundesrat keine Option mehr", wie Parmelin sagte. Die Regierung schickt die Vorschläge für schärfere Massnahmen in einer kurzen Vernehmlassung von knapp 24 Stunden - bis am Mittwochabend - den Kantonen, den Sozialpartnern und den zuständigen Parlamentskommissionen zur Stellungnahme. Am Freitag will die Regierung entscheiden. Gelten würden die Massnahmen vorerst bis am 24. Januar 2022.

Zentral sind im Moment die bekannten Mittel der Maske und des Zertifikats. Eine Impfpflicht war an dieser Sitzung laut Parmelin kein Thema, ebenso wenig die Einführung einer 2G-Regel, wie Berset sagte.

Zertifikatspflicht unter Freunden

Künftig sollen aber Freunde und Familienmitglieder, wenn sie sich zu elft oder mit mehr Personen privat treffen, das Zertifikat vorweisen müssen. Hier müsse an die Eigenverantwortung appelliert werden, sagte Parmelin. Auch an allen kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, die öffentlich sind und drinnen stattfinden, soll eine Zertifikatspflicht gelten. Des Weiteren soll die Zertifikatspflicht bereits bei Veranstaltungen im Freien ab 300 Teilnehmenden statt erst tausend Teilnehmenden gelten.

In allen öffentlich zugänglichen Betrieben soll eine Maske getragen werden müssen - ausser in Schulen, da entscheiden weiterhin die Kantone. Allerdings verlangt der Bundesrat, dass die obligatorischen Schulen und Gymnasien verpflichtet werden, repetitive Tests anzubieten. Wo das Maskentragen nicht möglich ist, sollen Ersatzmassnahmen gelten. Das heisst etwa: Wer in einer Bar etwas trinken will, muss sich dabei hinsetzen - und im Blasorchester müssen Kontaktdaten erfasst werden.

Kürzere Gültigkeit von Tests

Zudem sollen die Zertifikate, die auf Corona-Tests basieren, nicht mehr gleich lange gültig sein. Bei PCR-Tests sollen die Gültigkeit von 72 auf 48 Stunden verkürzt werden, Antigen-Schnelltests sollen nur noch 24 statt 48 Stunden gültig sein.

Im Arbeitsbereich stellt der Bundesrat drei Varianten zur Diskussion: eine Maskenpflicht für alle Mitarbeitende in Innenräumen, in denen sich mehrere Personen aufhalten; eine Homeoffice-Pflicht für Mitarbeitende, die weder geimpft noch genesen sind; und eine generelle Homeoffice-Pflicht.

Clubs und Bars fürchten Einschränkungen

Von den Parteien gab es zunächst grundsätzlich positive Reaktionen. "Der Bundesrat setzt zu Recht auf das Zertifikat. Um den Zugang zum Zertifikat zu erleichtern, braucht es Gratistests. Erst recht, wenn die Gültigkeit der Testzertifikate verkürzt werden soll", twitterte etwa Mitte-Präsident Gerhard Pfister.

Anders sieht es in der Gastro- und Veranstaltungsszene aus. Die Nachtkulturunternehmen befürchten laut einer Mitteilung die Einführung von einschränkenden Massnahmen. Aus ihrer Sicht gebe es aber keinen Grund, die Massnahmen für das Nachtleben zu verschärfen. Eine Maskentragpflicht mit gleichzeitig sitzender Konsumation stelle de facto eine wirtschaftliche Schliessung des Nachtlebens dar, lässt sich zudem Alexander Bücheli von der Bar- und Club-Kommission zitieren.

Nun sind die Konsultationsteilnehmer am Drücker. Erst danach wird klar, ob und welche Einschränkungen es geben wird.

(AWP)