Die aktuelle Diskussion greife "entschieden zu kurz, weil sie vorrangig um Aspekte der Finanzierung kreist, etwa darum, ob die geplanten Hilfsmittel als Zuschüsse oder als Kredite fliessen", kritisierte Schäuble. "Wir sollten sie aber viel stärker um die Frage führen, was wir konkret machen wollen, um Europa gemeinschaftlich voranzubringen."

Schäuble erinnerte an die für die Entwicklung der EU übliche Politik kleiner Schritte auch bei der Gründung der Eurozone: "Man einigte sich nach zähem Ringen darauf, mit der Währungsunion anzufangen in der Erwartung, weitere Schritte zur Wirtschaftsunion würden folgen. Das ist nicht geschehen", so Schäuble. "Während die Währungspolitik in der Eurozone vergemeinschaftet wurde, blieb die Wirtschaftspolitik in nationaler Verantwortung. Dabei hatten nicht nur Ökonomen gewarnt, dass die monetäre Union ohne eine politische Entsprechung auf Dauer nicht tragfähig sein würde."

Schäuble, der von 2009 bis 2017 als Finanzminister massgeblich am Management der Euro-Schuldenkrise beteiligt war, betonte, seit dieser Krise habe "auch der Letzte verstanden, dass wir eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik brauchen, um die Gemeinschaftswährung dauerhaft zu stabilisieren". Zugleich äusserte er die Überzeugung, "wir wären in Europa heute bedeutend weiter, wenn sich in der Griechenland-Krise 2010 die Idee durchgesetzt hätte, einen europäischen Währungsfonds aufzubauen."/kf/DP/men

(AWP)