Mit der Nominierung des 75-jährigen Amtsinhabers Wolfgang Schäuble für das Amt des Bundestagspräsidenten ist das Rennen um den begehrten, zweitmächtigsten Kabinettsposten eröffnet. Mögliche Anwärter gibt es eine ganze Reihe, wenn es zu einer Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen kommen sollte.

Mit dem anstehenden Rückzug Schäubles aus dem Finanzministerium steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einer der künftigen Koalitionspartner der Union Zugriff auf das Amt erhält. Die FDP hat diesen Anspruch bereits ganz offen erklärt. Parteichef Christian Lindner selbst hob unlängst in einem Interview hervor, dass es sich beim Finanzressort um das einzige Haus handele, "das auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt ist".

Nur als Finanzminister habe man relevanten Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, spreche in Europa bei der entscheidenden Frage Euro mit und sei an den grossen Entscheidungen der G20 mit am Tisch. Zudem wird in der FDP immer noch als einer der zentralen Fehler bei der schwarz-gelben Regierungsbildung 2009 angesehen, dass sie damals auf das Finanzministerium verzichtete.

FDP und Geld, das hängt zusammen

Das soll, geht es nach den Liberalen, dieses Mal anders werden. Denn auch jetzt hängen viele der FDP-Wahlversprechen am Geld, wenn es etwa darum geht, das Bildungssystem auf Vordermann zu bringen und in den Internet-Breitbandausbau zu investieren. Ausserdem macht sich die FDP für spürbare Entlastungen bei Steuern und Abgaben stark.

Mehrere Liberale kommen für das Finanzressort infrage. Da ist zum einen Lindner selbst. Der 38-jährige Parteichef sieht nach eigenen Worten seine Schwerpunkte bei Finanzen, Wirtschaft, Bildung und Digitales. Allerdings - er hat sich erst am Montag zum Fraktionschef wählen lassen und würde dem Vernehmen nach die Doppelfunktion aus Partei- und Fraktionsvorsitz gerne behalten.

Gleichzeitig Vizekanzler?

Zieht Lindner zurück, gilt Parteivize Wolfgang Kubicki als nächst-wahrscheinlicher FDP-Kandidat. Ein liberaler Minister im Finanzressort, so die Kalkulation, würde auch Vizekanzler. Es müsse also eine Person mit grossem politischen Gewicht ran, und als das gilt der 65-jährige Rechtsanwalt, dessen Schwerpunkte eigentlich die Themen Recht und Inneres sind.

Für den Posten infrage käme zudem Volker Wissing, der seit 2016 Wirtschafts- und Verkehrsminister in Rheinland-Pfalz ist. Im Bundestag war der 47-Jährige bis 2013 Vorsitzender des Finanzausschusses. Aus den Reihen der Liberalen stammen zudem Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele (64) und der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer (65).

Bekannte Namen im Rennen

Sollte das Finanzministerium trotz allem bei der Union bleiben, gilt als Fachpolitiker Schäubles bisheriger Staatssekretär Jens Spahn als eine Möglichkeit. Schäuble selbst nennt den 37-jährigen Münsteraner CDU-Politiker "eine der grossen Hoffnungen für die Zukunft der Union".

Vielleicht noch grössere Chancen hätten einige bekannte Namen, allen voran Innenminister Thomas de Maiziere. Der 63-jährige Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel war schon mal in Sachsen Finanzminister. Zudem schielt die CSU mit ihrem Spitzenkandidaten Joachim Herrmann auf de Maizieres bisheriges Ressort. Aber auch Merkels Kanzleramtschef Peter Altmaier (59) käme infrage. Er gilt allgemein als Merkels Allzweckwaffe.

Für den Fall, dass die Grünen den Finanzminister stellen sollten, wäre wohl am ehesten der 51-jährige Parteichef Cem Özdemir gefragt. Allerdings - bislang haben die Grünen noch keinen gesteigerten Ehrgeiz für Schäubles Nachfolge gezeigt.

(Reuters)