Doch die Uhr bis zum geplanten Brexit Ende März 2019 tickt und das Szenario eines ungeordneten EU-Ausstiegs lastet auf der britischen Währung wie ein Damoklesschwert. Mit rund 1,27 Dollar kostet das Pfund derzeit so wenig wie seit über einem Jahr nicht mehr und Fachleute warnen vor weiteren Einbrüchen von mehr als zehn Prozent. Immer mehr Hedgefonds wetten auf einen Pfund-Absturz und Optionspapiere zur Absicherung von Kursausschlägen finden reissenden Absatz.

"Das Risiko eines ungeordneten Brexit ist höher als es der Markt derzeit einpreist", sagt Commerzbank-Devisenanalystin Thu Lan Nguyen. Selbst der britische Aussenminister Jeremy Hunt räumt ein, dass das Risiko zuletzt gestiegen ist. Ein Brexit-Chaos sei möglich.

Seit dem Anti-EU-Votum der Briten sind mittlerweile mehr als zwei Jahre vergangen. Seitdem hat das Pfund 15 Prozent an Wert verloren. Die Verhandlungen mit der EU und ein Regierungswechsel auf der Insel haben bislang keine Einigung über die Ausstiegsklauseln gebracht. Ein Streitpunkt ist dabei, wie an der künftigen EU-Grenze zwischen dem britischen Nordirland und Irland verfahren werden soll.

Spekulieren auf Parität

Die Brexit-Unsicherheit hat bislang viele Investoren davon abgehalten, sich am Devisen- oder Optionsmarkt für oder gegen das Pfund zu positionieren. Doch inzwischen folgen immer mehr Spekulanten dem britischen Hedgefondsmanager Crispin Odey und setzen auf einen Kurseinbruch. Odey sagte der Nachrichtenagentur Reuters kürzlich, er halte einen Kurs von 1,21 Dollar für wahrscheinlich.

Auch die bisher noch nie dagewesene Parität zum Euro könnte nach Meinung von Analysten Realität werden. 100 Pence würden dann 100 Euro-Cent entsprechen. Derzeit sind es 89 Pence. Ein paar Wochen nach dem Brexit-Referendum war der Pfund-Kurs zum Euro auf bis zu 94 Pence gestiegen und auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 kostete ein Euro zeitweise sogar 98 Pence.

Umgekehrt könne der Wert der britischen Währung bei einer Einigung in die Höhe schiessen, prognostizieren die Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs. "Wir gehen davon aus, dass sich Grossbritannien und die EU auf ein Freihandelsabkommen einigen, das sich auf Waren bezieht, aber die meisten Dienstleistungen ausschliesst." Der britischen Premierministerin Theresa May werde es spätestens beim EU-Gipfel im Dezember gelingen, einen Deal zu vereinbaren. Das Pfund könne dann innerhalb eines Jahres auf 1,36 Dollar zulegen.

Auf alle Fälle erwarten Marktteilnehmer in den kommenden Monaten mehr Kursschwankungen beim Pfund. Die Terminkontrakte, mit denen Anleger auf Preisausschläge wetten, notieren auf dem höchsten Stand seit mehreren Monaten.

Kommt es zu einem zweiten Referendum?

Kommt es am Ende tatsächlich zum Schreckensszenario eines ungeregelten Brexit, erwarten Fachleute nicht nur an den Finanzmärkten chaotische Zustände, sondern auch in der britischen Wirtschaft. Konsumenten müssten sich vor allem auf höhere Preise einstellen, warnt bereits der Chef der Bank von England, Mark Carney.

Finanzminister Philip Hammond sagt, die Unsicherheit wirke dämpfend auf die Konjunktur. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum lag das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal bei 1,3 Prozent und damit nahe dem Sechs-Jahres-Tief.

Aber vielleicht kommt am Ende alles ganz anders und die Briten entscheiden in einem zweiten Referendum, doch in der EU bleiben zu wollen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov will die Hälfte der Bürger eine neue Abstimmung, sollte es keinen Deal mit der EU geben.

(Reuters)