Die anfängliche Erleichterung über die Aufhebung der von Johnson verfügten Zwangspause für das Parlament verpuffte schnell. Seither verbilligte sich das Pfund um knapp zwei Prozent auf aktuell 1,2272 Dollar. Die Aussicht auf Neuwahlen und die Möglichkeit einer Regierung unter Labour-Chef Jeremy Corbyn mache Investoren nervös, sagt Rory McPherson, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Psigma. Oppositionsführer Corbyn gilt als Befürworter von Verstaatlichungen und hat sich für höhere Steuern sowie strengere Regulierungen ausgesprochen.

Die Verunsicherung spiegelt sich auch an den Terminmärkten wider: Pfund-Optionen mit einer Laufzeit von drei Monaten, die den derzeitigen Brexit-Termin am 31. Oktober sowie mögliche Neuwahlen Anfang November abdecken, notieren höher als vergleichbare Papiere mit anderen Laufzeiten. An der Preisen dieser Kontrakte lassen sich erwartete Kursausschläge ablesen.

Gleichzeitig signalisieren dreimonatige sogenannte Risk-Rewersals, die zur Absicherung gegen Kursturbulenzen dienen, dass Investoren mehrheitlich eine Pfund-Abwertung erwarten. Das Volumen der Wetten hierauf wuchs in den vergangenen Tagen auf 6,7 Milliarden Dollar und steuerte auf das Zweieinhalb-Jahres-Hoch von Anfang September zu.

Deal or no Deal?

Portfoliomanager Kaspar Hense vom Vermögensverwalter Bluebay warnt dagegen vor überzogenem Pessimismus. Die Gefahr eines chaotischen Brexit sei nach dem höchstrichterlichen Urteil weiter gesunken. Daher setze er auf eine Erholung des Pfund zum Euro. Die Entwicklung am britischen Wettmarkt stützt seine Einschätzung. Dem britischen Buchmacher Betfair zufolge liegen die Quoten für Wetten auf einen Brexit-Deal zwischen Großbritannien und der EU inzwischen bei 5:1 im Vergleich 7:2 vor einer Woche.

Gleichzeitig liege die Wahrscheinlichkeit für den Abschied Johnsons aus Downing Street No. 10 vor Jahresende bei 2:1 statt 11:4. Anleger werten letzteres als positiv, da der Brexit-Hardliner Johnson sein Land notfalls auch ohne Scheidungsvereinbarung aus der EU führen will.

Aber selbst ein erneuter Aufschub des Brexit und Neuwahlen seien nur kurzfristig Balsam für die geschundenen Anleger-Seelen, warnt Kamal Sharma, leitender Anlagestratege der Bank of America Merrill Lynch. "Um einen 'No Deal'-Brexit endgültig abzuwenden, müssten die Anti-Brexit-Parteien die Wahlen gewinnen." Artur Baluszynski, Chef-Analyst des Vermögensverwalters Henderson Rowe, warnt sogar vor "italienischen Verhältnissen" mit einem jahrelangen Patt im Parlament. 

(Reuters)