Der einflussreiche Ökonom John Maynard Keynes wagte im Jahr 1930 einen Blick 100 Jahre in die Zukunft: Die Wochenarbeitszeit werde dann nur noch 15 Stunden betragen, die Akkumulation von Reichtum sei dann nicht mehr von hoher gesellschaftlicher Bedeutung und gleichzeitig werde Freizeit mehr geschätzt.

Doch Keynes lag daneben. Im Jahr 2016 arbeiten Schweizerinnen und Schweizer noch immer 40 bis 45 Stunden pro Woche, was weit von einer 15-Stunden-Woche entfernt ist. Und dies trotz enormen technischen Fortschritts und hohen Wirtschaftswachstums über die letzten Jahrzehnte. Wie Daten des Bundesamtes für Statistik zeigen, hat sich das jährliche Arbeitsvolumen der Schweizer in den letzten 25 Jahren sogar leicht erhöht. Die Produktivität ist in dieser Zeitspanne erstaunlicherweise kaum gestiegen.

Probleme mit der Arbeitsproduktivität

"Wir sind nicht mehr so produktiv wie in den 70er oder 80er Jahren des letzten Jahrhunderts", sagt Amlan Roy, Head of Demographics und Pensions Research bei der Credit Suisse, im Video-Interview mit cash. Zwar würden die Menschen die Technologie besser nutzen, aber gleichzeitig leide die Pro-Kopf-Produktivität unter der Abnahme des "Arbeitshungers" und der Zunahme an Regulierungen.

Um wieder produktiver zu werden, schlägt Roy vor, dass Firmen vermehrt junge Leute und Frauen einstellen, die sich die benötigten Fähigkeiten aneignen können.

Ein tiefes Produktivitätswachstum ist vor allem eine Schweizer Krankheit. Seit rund zwanzig Jahren hat hier die Arbeitsproduktivität nur noch geringfügig zugenommen. Ein Problem, welches sogar der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Sorgen bereitet. In einem Bericht vom Dezember 2015 ist zu lesen, dass die Schweizer Wirtschaft ihre Produktivität erhöhen müsse, um mittelfristig weiter wachsen zu können. Dazu seien Reformen in den Bereichen Telekommunikation, Energie und Agrar notwendig. Gleichzeitig müsse die Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben verbessert werden.

Kann das Produktivitätswachstum tatsächlich wieder angekurbelt werden, dann wird in ferner Zukunft vielleicht auch wieder die 15-Stunden-Woche von Keynes ein Thema.

Jugendarbeitslosigkeit führt zu Terrorismus

Doch noch sieht die Realität ganz anders aus. Ein Teil des Produktivitäts-Problems sind die erwerbslosen Jugendlichen, wie Roy sagt. Im Euroraum sind 22 Prozent aller Jugendlichen ohne Stelle. Am stärksten betroffen sind die südeuropäischen Länder Griechenland und Spanien mit Quoten von zuletzt 48 und 45 Prozent. Nicht ganz so schlimm präsentiert sich die Lage in der Schweiz: Hierzulande beträgt die Arbeitslosigkeit der 15- bis 24-Jährigen vergleichsweise mickrige 3,6 Prozent.

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit sei sehr gefährlich und "der Grund für den arabischen Frühling, Terrorismus und generell eine unzufriedene Jugend, auch in reichen Ländern", so Roy. Der technologische Fortschritt und günstigere Anbieter im Ausland hätten viele bisherige Stellen weggenommen.

Damit die Jugend nicht ihr Potential verschwendet, obliege es der Regierung, dem privaten Sektor und allen Individuen, mehr Jobs für Junge zu kreieren. Denn, "wir alle sind dafür verantwortlich, der Jugend bessere Aussichten zu bieten", sagt Roy.

Die Jugend wird ausserdem später einmal wegen den "reichen" Rentnern leiden: Gemäss Roy gehören die aktuell 65- bis 74-Jährigen in der Schweiz, in Grossbritannien und auch in den USA zu den wohlhabendsten Generationen überhaupt. Ihr Reichtum bedeutet auch, dass sie Anrecht auf eine hohe Rente und eine gesundheitliche Versorgung haben. "Die Last trägt die junge Generation, die später einmal sehr knapp bei Kasse sein wird", so Roy.

Im Video-Interview mit cash sagt Amlan Roy ausserdem, inwiefern das Thema Demographie Anleger betrifft und ob die zunehmende Lebenserwartung einen Einfluss auf die Inflation hat.

Das Gespräch mit Amlan Roy fand an der Morningstar Institutional Conference in Amsterdam statt. cash war an diesem Anlass Medienpartner.