Der Moment ist günstig: Zwei gemässigte Spitzenpolitiker, der konservative griechische Zyprer Nikos Anastasiades und der linksliberale türkische Zyprer Mustafa Akinci, arbeiten seit zweieinhalb Jahren hart an einer Lösung.

Während fünf Tagen werden die beiden oberhalb des Genfersees intensiv verhandeln. Da es in anderen Themen bereits Fortschritte gegeben habe, könnten nun die besonders strittigen Territorialfragen erörtert werden, hiess es aus griechisch-zyprischen Kreisen.

Nach Informationen aus Verhandlungskreisen will Akinci auch erörtern, welche Staaten die Existenz des künftigen Zyperns garantieren sollen. Dazu kämen Sicherheitsthemen wie die Frage des Verbleibs türkischer Truppen auf der Inselrepublik.

Dabei gehen die Meinungen jedoch auseinander: Die türkisch-zyprische Seite fordert, dass die Türkei Garantiemacht bleibt, wie sie es seit der Gründung des Staates 1960 war. Darauf besteht auch Ankara. Die griechischen Zyprer lehnen dies strikt ab. Garantiemächte brauche man in der EU nicht mehr, meinen sie.

Kernfrage ist die Grenzziehung

Die Kernfrage beim Treffen in der Schweiz ist jedoch, welche der zurzeit von türkischen Truppen besetzten Gebiete an die griechischen Zyprer zurückgegeben werden sollen.

Die griechisch-zyprischen Verhandlungsführer wollen die innerzyprischen Bundesstaaten-Grenzen genau kartieren. Die türkisch-zyprische Seite will zunächst nur allgemeine Prinzipien erörtern und das Thema später zusammen mit der Sicherheit detailliert klären.

Ein endgültiges Friedensabkommen wird es laut UNO-Diplomaten aber noch nicht geben. Dies sei bis Ende des Jahres möglich, wenn man täglich mit Hochdruck verhandle. Die Gespräche zwischen Anastasiades und Akinci laufen seit 2013. Eine Lösung soll es nur geben, wenn beide Volksgruppen in getrennten Abstimmungen zustimmen.

Als Lösung ist ein föderaler Staat mit zwei Bundesstaaten im Gespräch: Ein türkisch-zyprischer im Norden und ein griechisch-zyprischer im Süden. Die Bundesstaaten sollen politisch gleichberechtigt sein. Das bedeutet, dass auf Bundesebene nichts entschieden wird, wenn nicht beide Teilstaaten einverstanden sind. Darauf haben sich die Zyprer bereits geeinigt.

Bundesstaat mit Folgen für die EU

Zypern ist seit 2004 EU-Mitglied. Das EU-Recht gilt aber nur im griechisch-zyprischen Süden. Der türkisch-zyprische Norden wird nur von der Türkei anerkannt. Doch im Fall einer Lösung könnte erstmals ein Drittstaat - die Türkei - über ein Veto der türkischen Zyprer in der EU mitbestimmen.

"Nach den Erfahrungen mit der Wallonie und den jüngsten Entwicklungen in der Türkei möchte ich nicht daran denken, was das für die EU bedeuten könnte", sagt ein EU-Diplomat, der lange auf Zypern gedient hat.

Bewegte Geschichte

Die drittgrösste Mittelmeerinsel war ab 1960 eine eigenständige Republik. Nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention ist die Insel seit 1974 geteilt.

Im Süden leben knapp 900'000 Menschen - mehrheitlich griechische Zyprer. Auf die Türkische Republik Nordzypern entfallen 36 Prozent der Fläche. In dem von türkischen Truppen besetzten Gebiet im Norden leben rund 300'000 Menschen. Davon sind nach Schätzungen nur 135'000 türkische Zyprer. Der Rest sind Siedler aus Anatolien sowie etwa 35'000 türkische Soldaten.

Die türkischen Zyprer gelten wie ihre griechisch-zyprischen Nachbarn als EU-Bürger. Viele von ihnen haben sich einen Pass oder Ausweis der Republik Zypern besorgt und können damit visumfrei in der EU reisen.

Rolle der Schweiz

Auf Anfrage der UNO hat die Schweiz "entsprechend ihrer Tradition als Gaststaat von Friedensgesprächen" Unterstützung im Zypernprozess zugesichert, teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage mit.

In ihrer Rolle als Gaststaat sorge sie dafür, dass die Gespräche möglichst reibungslos und in diskretem Rahmen abgehalten werden können. Die Schweiz leiste vorab logistische Unterstützung in Form von Sicherheit, Visa oder Unterkunft. "Sie hofft, mit diesem Engagement zu einer gerechten und dauerhaften Beilegung des Zypernkonflikts beitragen zu können."

Die Schweiz hat der UNO und den Parteien auch für die nächsten Etappen ihre Unterstützung angeboten.

(AWP)