Auf die Frage, ob es in Deutschland einen Lockdown brauche, sagte Drosten, es gelte abzuwarten, "ob und wie die jetzt geltenden und noch einmal nachgezogenen Massnahmen wirken". Greifen die Kontaktbeschränkungen nicht so wie erhofft, könnte man nach Drostens Ansicht Beschränkungen in Betracht ziehen, bei denen nur bereits geboosterte Menschen Zugang haben - was er als "1G" bezeichnete. Zweifach Geimpfte seien zwar auch bei Omikron vor schweren Verläufen geschützt, "aber praktisch nicht gegen eine Infektion", sagte der Virologe. Auch die Virus-Weitergabe im Fall einer Ansteckung sei kaum reduziert. "Wer aber kürzlich geboostert ist, trägt wahrscheinlich weniger zur Weiterverbreitung bei und ist merklich gegen die Erkrankung geschützt. Bei Delta mögen 2G und 3G reichen, aber jetzt schreibt Omikron die Regeln."

Nach dem bisher bekannten Stand glaube er, dass die geltenden und nun noch nachgezogenen Kontaktmassnahmen hierzulande den Zuwachs der Fallzahlen etwas langsamer ausfallen liessen als in anderen Ländern. "In Grossbritannien und Südafrika sind die Zahlen auch deswegen so in die Höhe geschossen, weil keine Kontrollmassnahmen mehr da waren." Etwa das Maskentragen scheine "besonders wirksam" zu sein. "Daher und weil die Leute auch im Privaten vorsichtig sind, sind wir in Deutschland schon besser aufgestellt."

Drosten warnt seit langem vor der grossen Impflücke, gerade auch in der älteren Bevölkerung. "Wenn wir das Virus jetzt durchlaufen lassen, werden wir viele Tote haben und volle Intensivstationen. Davor darf man nicht die Augen verschliessen, deshalb handelt ja auch die Politik", sagte er in dem Interview. Es sei noch unsicher, ob Omikron per se weniger schwer krank macht. "Neueste Studien aus Südafrika, England und Schottland stimmen darin überein, dass die Abschwächung des krank machenden Effekts zwar zu grossen Teilen, aber eben nicht ausschliesslich durch die zunehmende Immunität der Bevölkerung bedingt ist", sagte Drosten der Zeitung./ggr/DP/nas

(AWP)