"Wir senden ein erneutes und zwar unmissverständliches Signal an das iranische Regime", sagte Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Brüssel zu der Entscheidung. Die Verantwortlichen glaubten, Menschen ohne Konsequenzen unterdrücken, einschüchtern und töten zu können. Dies könnten sie allerdings nicht. Ihren Angaben zufolge sollen die Sanktionen auch die Finanzierung der Revolutionsgarden treffen. Diese sind im Iran die Eliteeinheit der Streitkräfte.

Aus Teheran kam eine scharfe Erwiderung. "Die deutschen Behörden sollten sich die Geschichte ihres eigenen Landes ansehen, die Geschichte der Menschenrechte im Zusammenhang mit der Bewaffnung eines Aggressorregimes gegen den Iran. Deutschland ist nicht in einer Position, den Iran zu tadeln", sagte Aussenamtssprecher Nasser Kanaani nach Angaben von Staatsmedien. Er sagte nicht, welches "Aggressorregime" er meinte. Teheran betrachtet Israel und die USA als Erzfeinde, auch Saudi-Arabien ist ein regionaler Rivale. Sanktionen würden den Iran nicht beeinflussen, sagte der Sprecher weiter.

Von dem neuen Paket mit Strafmassnahmen sind nun insgesamt 32 Personen und Einrichtungen betroffen, wie aus einem am Montag veröffentlichten Amtsblatt der Europäischen Union hevorgeht. Sie sehen Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten in der EU vor. Mit Sanktionen belegt wurde etwa Press TV, der englischsprachige staatliche Auslandssender Irans, sowie das IT-Unternehmen Arvan Cloud, das bei der Einschränkung des Internets im Iran eine wichtige Rolle gespielt haben soll. Auch Grossbritannien verhängte neue Sanktionen gegen führende Beamte.

Neben Irans Innenminister Ahmad Wahidi wurden auch vier Mitarbeiter der iranischen Sittenpolizei, die an der Festnahme von Amini beteiligt gewesen sein sollen, auf die Strafliste gesetzt. Ausserdem wurden mehrere regional tätige Offiziere der Revolutionsgarden sowie Sicherheitsbehörden mit Sanktionen belegt.

Die nun besonders ins Visier genommenen Revolutionsgarden (IRGC) sind weitaus wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei. Dieser hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort. Die Einheit hat auch grossen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land. Jüngst verlangte der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hussein Salami, in einer Rede ein Ende der Demonstrationen. "Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren", warnte er.

Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher fast 15 000 Teilnehmer von Demonstrationen gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem festgenommen. Die Regierung in Teheran hat diese Zahlen nicht bestätigt, aber auch keine anderen angegeben. Laut der Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) in den USA sind bei den Protesten mindestens 340 Menschen getötet worden.

Bereits Mitte Oktober hatte die EU ein erstes Sanktionspaket wegen der Geschehnisse im Iran beschlossen. Es richtete sich gegen die iranische Sittenpolizei und mehr als ein Dutzend weitere Personen und Organisationen. Auch damals wurden schon Mitglieder der Basidsch-Milizen sanktioniert, die von der EU für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich gemacht werden. Die Basidsch-Milizen sind eine aus Freiwilligen rekrutierte paramilitärische Organisation unter Leitung der Revolutionsgarden.

Unabhängig von den Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängte die EU jüngst auch neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Von ihnen sind bislang das Unternehmen Shahed Aviation Industries sowie drei ranghohe Militärs betroffen. Sie sind nach Auffassung der EU an der Entwicklung und Lieferung von Kampfdrohnen an Russland beteiligt, die von den russischen Streitkräften im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden./aha/DP/jha

(AWP)