"Diese Bestände sind in einem unfassbar schlechten Zustand", sagte Karoline Schacht, Meeresbiologin bei der Naturschutzorganisation WWF. Diese Fische waren für deutsche Ostseefischer lange die mit Abstand wichtigsten. Bei mehreren weiteren Beständen in der Ostsee wurden die zulässigen Fangmengen weiter gesenkt. "Die Situation in der Ostsee bleibt auch im kommenden Jahr für die deutsche Fischerei sehr angespannt", teilte der Deutsche Fischerei-Verband (DFV) mit.
Normalerweise sind EU-Verhandlungen über Fangmengen schwierig, sie ziehen sich bis in die Nacht, manchmal auch in den nächsten Tag. In diesem Jahr haben die Ministerinnen und Minister jedoch in rekordverdächtigem Tempo eine Einigung gefunden. Das Treffen begann um 10.00 Uhr, bereits am frühen Nachmittag war ein Kompromiss gefunden. Vergangenes Jahr wurde mehr als 24 Stunden lang verhandelt.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat zumindest beim Hering leichten Grund zur Hoffnung: Dort gebe es mittelfristig eine Erholungsperspektive. Auch der Fischerei-Verband äusserte sich verhalten optimistisch: "Der Bestand des westlichen Herings scheint sich mittlerweile etwas zu erholen, so dass vielleicht bereits 2024 wieder eine geringe Menge für die gezielte Fischerei zur Verfügung stehen wird."
Vom Ministerium heisst es aber weiter: "Der Dorschbestand leidet unter einer Vielzahl von negativen Umwelteinflüssen und den Folgen der Klimakrise." Ob und wann wieder eine gesunde Bestandsgrösse erreicht werde, sei derzeit unklar. Nach Ansicht des DFV fressen Kormorane zudem zu viele junge Dorsche. Für Angler werden die derzeitigen Tagesfangmengen - das sogenannte Bag Limit - auch 2023 gelten.
Umweltschützer begrüssten zwar die Entscheidung grundsätzlich, die den wissenschaftlichen Empfehlungen weitgehend folge. "Sie wird jedoch dem katastrophalen Gesamtzustand von Ostsee und Fischpopulationen nicht gerecht", kritisierte etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). So werden nach Ansicht der Naturschützer zu grosse Fangmengen von Sprotte, die eine wichtige Nahrung der Dorsche sei, und von Scholle zugelassen. Bei Schollen gingen viele Dorsche als Beifang ins Netz. Der DFV hätte sich höhere Fangmengen für Scholle gewünscht.
Wenn die zulässige Beifangmenge für Dorsche erreicht ist, darf eigentlich auch keine Scholle mehr gefangen werden, wenn dabei Dorsche ins Netz gehen. "Nach wie vor werden jedes Jahr Dorsche illegal über Bord geworfen, die wir dringend für die Erholung der Populationen benötigen", sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Umweltschützer fordern schon länger, Boote und Schiffe strenger zu kontrollieren./mjm/DP/men
(AWP)