BRÜSSEL (awp international) - Die EU-Staaten werden in Kürze entscheiden müssen, ob mit der Türkei offizielle Verhandlungen über den Ausbau der seit Ende 1995 bestehenden Zollunion begonnen werden sollen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström will nach eigenen Angaben noch bis Jahresende einen Mandatsentwurf mit Vorschlägen für die europäischen Verhandlungsleitlinien vorlegen. Im Anschluss ist es dann an den Mitgliedstaaten, das weitere Vorgehen festzulegen.

Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und drei weiteren internationalen Medien warb Malmström dafür, die Pläne für den Ausbau der Zollunion trotz der vielkritisierten Entwicklungen in der Türkei weiterzuverfolgen.

"Wir sind besorgt über die Ereignisse, aber die Türkei ist gleichzeitig ein wichtiger Nachbar und die bestehende Zollunion ist sehr begrenzt", sagte die Schwedin. Ein modernisiertes Zollabkommen wäre nicht nur sinnvoll für die Türkei, sondern auch gut für die EU.

Bei einem EU-Türkei-Gipfel war der Türkei vor einem Jahr ein Verhandlungsstart "gegen Ende 2016" in Aussicht gestellt worden. Im Gespräch ist, dass bestehende Abkommen auch auf Dienstleistungen, landwirtschaftliche Erzeugnisse und öffentliche Ausschreibungen auszuweiten. Bislang deckt die Zollunion nur Industriegüter ab.

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hatte jüngst vorgeschlagen, sich mit der Türkei einvernehmlich auf ein Ende der seiner Meinung nach ohnehin aussichtslosen EU-Beitrittsverhandlungen zu verständigen. Im Gegenzug könne dann ein alternatives Partnerschaftsmodell ausgehandelt werden, zu dem auch die erweiterte Zollunion gehören würde.

Ein solcher "lebendiger Prozess" biete mehr Möglichkeiten, auf die Türkei Einfluss zu nehmen, als die de facto bereits heute brachliegenden Beitrittsverhandlungen, argumentierte der FDP-Politiker. Gar nicht mehr mit der Türkei zu reden, hielte er für einen schweren aussen- und wirtschaftspolitischen Fehler - trotz der jüngsten Festnahmen von Journalisten und Abgeordneten der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan betonte am Donnerstag erneut, dass sein Land grundsätzlich weiterhin Vollmitglied der EU werden wolle. "Wir sind seit mehr als 650 Jahren ohne Unterbrechung mit unserem Staat, unserer Kultur und unserer Zivilisation in Europa präsent und werden auch weiterhin präsent sein", sagte Erdogan in Ankara. Angesichts von fünf Millionen Türken in EU-Ländern hätten weder die EU-Institutionen noch die Mitgliedstaaten die Macht, die Türkei auszugrenzen./aha/DP/stb

(AWP)