"Zwischen der EU und Indien gibt es enge Beziehungen, aber auch viel unausgeschöpftes Potenzial", erklärte von der Leyen. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem "neuen Kapitel" der strategischen Partnerschaft.

Indien ist mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt nach China, aber für die EU zuletzt nur der zehntgrösste Handelspartner gewesen. 2007 begannen beide Seiten mit Diskussionen über ein breit angelegtes Handels- und Investitionsabkommen, bei dem es auch um mehr Marktzugang und weniger Zölle ging. Doch mehrere Unstimmigkeiten wie indische Zölle auf Autos und Wein sowie Arbeitsmarktbeschränkungen für Inder durch die EU brachten die Verhandlungen 2013 zu einem Ende.

Vor allem die deutsche Wirtschaft würde nach Studien von einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien kräftig profitieren. Nach im vergangenen Jahr vom Europaparlaments veröffentlichten Zahlen könnte allein die Bundesrepublik einen Wohlfahrtsgewinn von etwa 2,2 Milliarden Euro erwarten. Deutschland sei der EU-Mitgliedstaat, in dem der grösste Anstieg sowohl der Importe als auch der Exporte zu erwarten sei, wobei die Exporte stärker steigen dürften als die Importe, heisst es zu den Berechnungen, die allerdings noch vor dem endgültigen Ausstieg Grossbritanniens aus der EU erstellt wurden.

Eine von der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2017 veröffentlichte Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass Deutschland mit einem um jährlich 4,98 Milliarden US-Dollar (etwa 4,1 Mrd Euro) höherem Bruttoinlandsprodukt kalkulieren könnte. Grosse Gewinner dürften demnach Hersteller von Kraftfahrzeugen sowie von Maschinen und Ausrüstung sein, die ihre Wertschöpfung um je mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr steigern könnten. Als Verlierer werden hingegen Dienstleister sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie mit einem erwarteten Minus von jeweils mehreren Hundert Millionen Dollar im Jahr gesehen. Indien hat in diesen Bereichen - vor allem aufgrund niedrigerer Löhne - einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Als grosse Hürden für den Abschluss eines Freihandelsabkommens gelten der Automobil- und der Pharmasektor. Wer fertig montierte Pkw nach Indien einführt, zahlte dafür zuletzt je nach Grösse des Fahrzeugs einen Aufschlag in Höhe von zwischen 60 und 100 Prozent des Neupreises. Die EU würde diese Hürden auf lange Sicht gerne abschaffen. Indien sah darin jedoch bis zuletzt eine Gefahr für die heimische Produktion, auch durch ausländische Firmen, die - zum Teil abgeschreckt durch die hohen Zölle - indische Standorte aufgebaut haben.

In der Pharmabranche hakt es besonders beim geistigen Eigentum. Indiens wichtige Industrie für Generika, also Nachahmermedikamente, die nach Ablauf des Patentschutzes von Originalmitteln günstiger auf den Markt kommen, wird geschützt durch sehr strikte Gesetze. Trotz Patentschutzes können indische Gerichte etwa anordnen, dass ausländische Konzerne Zwangslizenzen an indische Generika-Hersteller vergeben müssen. Ein anderes Gesetz erschwert, dass der Patentschutz für ein Medikament verlängert wird, obwohl der Hersteller es in der Zwischenzeit verbessert hat./aha/DP/zb

(AWP)