Wochenlang gab es in Deutschland Verhandlungen über eine sogenannte Jamaica-Koalition. Es wäre ein Bündnis der christdemokratischen Partei (CDU, schwarz) mit der wirtschaftsliberalen (FDP, gelb) und grünen Partei (Bündnis 90/Die Grünen) gewesen.
Und nun das: In der Nacht auf Montag wurden die Verhandlungen durch die FDP überraschend abgebrochen. In Deutschland ist nun von einer politischen Krise die Rede, ein Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel ist plötzlich möglich - auch wenn sie sich bei allfälligen Neuwahlen wieder zur Verfügung stellen will.
Wer gedacht hätte, dass dies negativ auf den Euro abfärben würde, sah sich aber nur kurz bestätigt. Folgende Grafik zeigt den Kursverlauf des Euro zum Franken von Sonntagabend bis Montagmittag:
Die Gemeinschaftswährung fiel nach Bekanntgabe des Abbruchs der "Jamaica"-Verhandlungen auf unter 1,16 Franken, nachdem das Währungspaar am Freitag noch bei 1,660 schloss. Kurz vor 10 Uhr am Montag wurde der Wert der Vorwoche aber bereits wieder erreicht.
Deutschland kann Märkte verunsichern
Warum reagiert der Euro kaum? "Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass die Regierungsbildung in Deutschland relativ problemlos gelingen wird", sagt Ursina Kubli, Währungsexpertin der Bank J. Safra Sarasin, zu cash. Eine Meinung, die anscheinend auch der Markt nach einer anfänglichen Unsicherheit zu teilen scheint.
Auch zahlreiche andere Ökonomen sehen zwar eine Zeit politischer Ungewissheit auf Deutschland zukommen. Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum erwarten sie jedoch keine. "Die Beispiele Belgiens oder der Niederlande, wo Übergangsregierungen der Wirtschaft lange Zeit keinen Schaden zugefügt haben, scheinen sogar darauf hinzudeuten, dass Übergangsregierungen eher helfen als schaden", sagte ING-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski zu Reuters.
"Die Finanzmärkte gehen offenbar nur von einer Unsicherheitsphase aus", erklärt Gertrud Traud, Chefökonomin von Helaba, zu AWP. Schliesslich gebe es in Deutschland nicht die Gefahr, dass eine antieuropäische Partei an Einfluss gewinne.
Dabei sind in den nächsten Wochen Rückschläge für den Euro durchaus denkbar. Denn derzeit ist nur sehr schwer abschätzbar, ob es in Deutschland Neuwahlen geben wird oder ob sich doch noch eine Koalition finden wird. Und Unsicherheit ist bekanntlich Gift für die Märkte.
Gründe für anziehenden Euro
Wichtiger als die momentanen Unsicherheiten in Deutschland ist für Kubli - und offenbar auch für die Finanzmärkte - das derzeit gute wirtschaftliche Umfeld in Europa, welches den Euro stützt. Der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs ist dabei Deutschland selbst. Das Land steuert 2017 auf das stärkste Wachstum seit sechs Jahren zu. Positiv sind auch diverse Einkaufsmanagerindizes.
Und dieses Umfeld hilft noch aus einem anderen Grund dem Euro: Es minimiert gemäss Kubli die populistischen Risiken in Europa. So stehen im nächsten Frühjahr etwa Wahlen in Italien bevor, wo ein starkes Wirtschaftswachstum den Euro-Gegnern etwas den Wind aus den Segeln nehmen könnte.
Auch die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) hält einer Euro-Abschwächung entgegen: "Die EZB dürfte 2018 die Anleihenkäufe zurückfahren, was den Euro stützen wird", so Kubli. Die Ökonomin und Devisenanalystin rechnet in 12 Monaten mit einem Euro-Franken-Kurs bei 1,20.