Nach dem Paukenschlag der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Mindestkurs fallen zu lassen, wertete sich der Franken schlagartig auf bis zu 84 Rappen pro Euro auf. Nun bewegt er sich um die Paritätsgrenze. Grössere Verschiebungen sind vermutlich erst wieder am kommenden Donnerstag zu erwarten, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihren geldpolitischen Kurs bekannt gibt.

Erwartet wird, dass die EZB eine Monster-Euro-Welle über die Finanzmärkte brechen lässt. Wie hoch sich diese Welle effektiv auftürmen wird, bleibt hingegen unklar. Laut einer Umfrage von Bloomberg liegt die durchschnittliche Erwartung oberhalb von 500 Milliarden Euro. Abhängig vom tatsächlichen Volumen und der Ausgestaltung des Anleihenkaufprogramms werden auch die Folgen für den Franken unterschiedlich ausfallen.

1. Szenario: Das EZB-Kaufprogramm kommt wie erwartet: Die EZB hat bereits Wertpapiere (ABS und Covered Bonds) im Umfang von etwa 400 Milliarden Euro gekauft und so die Märkte mit Euros versorgt - ohne nennenswerten Erfolg. Vom Aufkauf von Staatsanleihen liess sie bislang die Finger. Zusätzlich erwartet der Markt nun Aufkäufe von Staatsanleihen im Umfang von 500 Milliarden Euro. "Die zusätzliche halbe Billion ist im aktuellen Euro-Franken-Kurs bereits eingepreist", sagt Währungsspezialist Thomas Suter von Quaesta Capital. Trifft diese Erwartung somit ein, muss nicht von einer weiteren Abschwächung des Euro-Franken-Kurses ausgegangen werden. Für den Moment bleibe aber vieles unklar, sowohl die Höhe der Aufkäufe als auch die effektive Umsetzung durch die EZB, so Suter.

Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: hoch.

2. Szenario: Die EZB kauft mehr als erwartet: Die SNB hat den Mindestkurs nicht ohne Grund Knall auf Fall aufgegeben. Spekulationen schiessen denn auch ins Kraut, dass die EZB etwas aus dem Hut zaubert, was der SNB verunmöglicht hätte, den Mindestkurs zu halten. Vereinzelt kursieren im Markt Zahlen von einem Anleihenkaufprogramm in der Höhe von 700 bis 1000 Milliarden Euro. Der Franken würde schlagartig stärker werden. Bewirkt die EZB damit aber eine schnelle Erholung der Euro-Wirtschaft, dürfte sich der Franken auf mittlere Sicht wieder abschwächen. Allerdings würde ein über Erwarten ausfallendes Anleihenkaufprogramm die EZB-Kritiker wie den Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann verärgern.

Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: mittel.

3. Szenario: Die EZB kauft weniger als erwartet: Wenn alle sagen: "Jetzt kommt der grosse Wurf der EZB", muss man genau hinschauen. Denn faktisch ist die Geldpolitik der EZB schon recht locker. Die Zinsen in den Euroländern sind im Keller – mit Ausnahme von Griechenland. Tiefe Zinsen bringen vor allem die Pensionskassen in die Bredouille. Ohnehin ist umstritten, ob Staatsanleihenkäufe die Konjunktur überhaupt anzukurbeln vermögen (zum cash-Börsen-Talk). Insofern könnte das Programm in kleineren Dosen verabreicht werden. Eine Vorgehensweise, welche für EZB-Präsident Mario Draghi nicht untypisch wäre. Der Franken dürfte darauf mit einer Aufwertung reagieren.

Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: mittel.

4. Szenario: Die EZB unternimmt nichts: Diverse EZB-Währungshüter haben die Erwartung, dass am 22. Januar etwas kommen wird, regelrecht in die Märkte einmassiert. Hält die EZB somit die Füsse still, wäre dies eine riesengrosse Überraschung – die Aktienmärkte kämen massiv unter Verkaufsdruck. Gleichzeitig würde die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar und dem Franken wieder stärker werden. Als möglicher Grund für das Nichtstun werden im Markt die anstehenden Neuwahlen in Griechenland genannt.

Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: gering.

5. Szenario: Die EZB überrascht bei der Geschwindigkeit der Käufe: Im Markt dominiert die Erwartung, dass die EZB die rund 500 Milliarden Euro innert 18 bis 24 Monaten in den Markt schüttet. Womöglich will Draghi aber ein Zeichen setzen und verkürzt die Einsatzdauer auf 12 Monate, um der Wirtschaft möglichst rasch einen Impuls zu verleihen. "Je schneller die Anleihenkäufe vom Stapel laufen, desto schwächer wird tendenziell der Euro", sagt Constantin Bolz, Devisenspezialist bei der UBS. Findet die Eurozone damit aber schneller wieder zurück auf den Wachstumspfad, könnte dies mittelfristig den Euro gegenüber dem Franken wieder stärken, so Bolz.

Wahrscheinlichkeit diese Szenarios: mittel.

6. Szenario: EZB tritt in die Fussstapfen der Fed: Die amerikanische Notenbank Fed knüpfte ihr billionenschweres Anleihenkaufprogramm an zwei Eckwerte: die Arbeitslosigkeit und die Inflation. Die Direktive vom einstigen Fed-Präsidenten Ben Bernanke lautete: Wir kaufen solange Staatsanleihen, bis die Eckwerte erreicht sind – und darüber hinaus, wie sich später zeigte. Die EZB könnte dieses Modell kopieren, würde sich dann aber vom Mandat der Preisstabilität entfernen und stattdessen Fiskal- und Wirtschaftspolitik betreiben. Wenn die EZB dies täte, verlöre sie an Glaubwürdigkeit und dies wiederum würde den Franken stärken, so Bolz.

Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: gering.