Der S&P500 hat in diesem Jahr mehr als 16 Prozent zugelegt. Trauen Sie dem Index in den kommenden Monaten eine ähnliche Performance zu?

Ich denke, ein Wachstum von 7 bis 8 Prozent in den nächsten zwölf Monaten ist realistisch. Wir sehen zurzeit eine tiefe Volatilität und viel Optimismus. Aber nach dem starken bisherigen Wachstum müssen wir wohl damit rechnen, dass die Schwankungen eher zunehmen.

In welchen Sektoren steckt besonders viel Potenzial?

Es sind zwei Sektoren, die ich besonders mag. Aus einer zyklischen Perspektive traue ich dem Technologiesektor besonders viel zu. Insbesondere im Softwarebereich haben einige Firmen unter der schwächelnden Wirtschaft in Asien und Europa gelitten und sind nun tief bewertet. Firmen wie Oracle, Symantec oder Nuance haben einerseits Aufholbedarf und andererseits interessante Produkte in der Pipeline. Der Gesundheitssektor hat aus defensiver Perspektive weiterhin viel Potenzial. Einige Pharmafirmen und Gesundheitsdienstleister sind immer noch billig. Unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung bringen sie gute Produkte auf den Markt und zeigen solide Ergebnisse. Amgen, McKesson oder Sigma-Aldrich wachsen jedes Jahr, egal ob die Wirtschaft stark oder schwach ist. Zusätzlich tritt ab 2014 die Versicherungspflicht in Kraft, womit Millionen neuer Kunden ins Gesundheitssystem strömen werden.

Der Dollar schwächelt gegenüber Franken und Euro. Wie schätzen Sie die Zukunft des Greenback ein?

Zwei Punkte scheinen mir wichtig. Wenn die asiatische Schwächephase anhält, ist das gut für den Dollar als sicherer Hafen. Falls das europäische Wachstum dasjenige der USA übertreffen sollte, würde das den Dollar wieder schwächen.

Am Meeting der amerikanischen Notenbank (Fed) vom 17. und 18. September wird eine richtungsweisende Entscheidung erwartet. Womit rechnen Sie?

Meiner Meinung nach wird sich die amerikanische Zentralbank im September entscheiden, die Anleihenkäufe zurückzufahren. Das Fed wird den Fuss aber langsam vom Gaspedal nehmen, um die US-Wirtschaft an ihrem Wachstum nicht zu hindern. Es würde in meinen Augen auch keinen Sinn machen, wenn das Fed nach so enormem finanziellem Aufwand einen raschen Ausstieg riskieren würde.

Was passiert, wenn der von Fed-Chef Ben Bernanke anvisierte Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 6,5 Prozent nicht eintrifft?

Die Arbeitslosigkeit ist ein wichtiger Punkt. Laut Statistik ist sie von 10 auf 7,5 Prozent gesunken. Verschiedene Mitglieder des Fed-Ausschusses haben deshalb schon angedeutet, die 6,5 Prozent-Zielgrenze zu senken. Dies im Hinblick darauf, das Wirtschaftswachstum möglichst nicht zu bremsen. Doch das vereinfacht die Situation allerdings nicht, denn die aktuelle Zählweise berücksichtigt Personen nicht, die entweder Teilzeit arbeiten müssen oder gar nicht im Arbeitsprozess stehen, also mehr arbeiten möchten, als sie es tatsächlich tun. Würde man diese Personen hinzuzählen, müsste man von einer deutlich höheren Arbeitslosenquote ausgehen .

Welche weiteren Faktoren beeinflussen die Fed-Politik in den nächsten Monaten?

Die Nachrichten rund ums Fed werden in den nächsten Monaten weiterhin von grosser Bedeutung sein. Dabei wird bestimmt die Nachfolge von Ben Bernanke eine grosse Rolle spielen, weil die beiden Top-Favoriten, Janet Yellen und Larry Summers, unterschiedliche ökonomische Ansätze verfolgen. Am Willen, die Wirtschaft auf einem nachhaltigen Erholungskurs zu halten, wird sich aber auch in Zukunft nichts ändern. Dabei werden die wichtigsten Punkte die Verbesserung der Arbeitslosigkeit und des Häusermarktes sein.

Die Märkte reagieren in der Regel heftig auf Fed-Entscheide. Was erwarten Sie in den nächsten Monaten vom amerikanischen Markt?

Die Reaktionen werden davon abhängen, welche Signale das Fed aussendet und welche Ziele es langfristig verfolgt. Aber ich erwarte nicht, dass der amerikanische Markt substanzielle Verluste erleiden wird. Wir werden möglichweise Verschiebungen innerhalb des Marktes sehen, aber vom Markt als Ganzes erwarte ich keine grossen Bewegungen.

In der jüngsten Vergangenheit konnten wir sehen, dass die amerikanische Wirtschaft viel schneller zum Wachstum zurückfand als die europäische. Weshalb?

Die europäische Wirtschaft kann nicht als Ganzes betrachtet werden. Man muss zwischen peripheren und zentralen Staaten unterscheiden, die nicht gleich stark von der Rezession betroffen sind. Zudem können Europas Politiker nicht so frei handeln, wie die amerikanischen. Ihnen sind die Hände aus politischen Gründen viel mehr gebunden. Kommt hinzu, dass die USA die Probleme mit dem Finanzsystem viel schneller in den Griff bekommen haben als Europa. Während die amerikanischen Banken ihre Bilanzen rascher auf sichere Füsse stellen mussten, hinken die europäischen Finanzinstitute in diesem Prozess hinterher. Das ist besonders wichtig, weil das Finanzsystem der Motor der Wirtschaft ist.
 

Adrian Brass leitet bei Fidelity die beiden Fonds FF America Fund und FAST US Fund und blickt auf 12 Jahre Investmenterfahrung in den USA zurück.