Dem Regierungskritiker Roman Protassewitsch, der zuletzt im Ausland lebte, drohen nach seiner Verhaftung nun mehrere Jahre Haft. International gibt es auch Sorgen, dass der 26-jährige Blogger im Gefängnis misshandelt wird. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko - vielfach als "letzter Diktator Europas" bezeichnet - steht wieder massiv in der Kritik. Die EU hat bereits neue Sanktionen verhängt.

Die Ukraine beschloss indes, das Nachbarland vorübergehend nicht mehr anzufliegen. Belarus protestierte gegen die Entscheidung. Der Flugverkehr mit dem Nachbarland gilt als besonders intensiv. Die Lufthansa verwies darauf, dass ohnehin nicht alle Flüge Richtung Moskau über Belarus gehen. Über einen für Mittwoch geplanten Flug aus Frankfurt nach Minsk sei noch nicht entschieden, sagte ein Sprecher.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten zuvor beschlossen, dass belarussische Fluggesellschaften künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen dürfen. Ausserdem haben sie auf Flughäfen in der EU nun Start- und Landeverbot. Zudem soll es gezielte Wirtschaftssanktionen und eine Ausweitung der Liste mit Personen und Unternehmen geben, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten. Aus Minsk gab es zunächst keine Reaktionen darauf.

Die Behörden des autoritär geführten Landes hatten am Sonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit Hilfe eines Kampfjets zur Landung in Minsk gezwungen - angeblich wegen einer islamistischen Bombendrohung. Belarus machte die im Gazastreifen herrschende Hamas dafür verantwortlich. Ein Hamas-Sprecher wies dies jedoch als "absurd" zurück. Die Maschine flog später weiter nach Vilnius.

Ziel der Aktion war offensichtlich Protassewitsch, der aus Griechenland nach Litauen wollte, wo er zuletzt im Exil lebte. In seiner Heimat war er unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben. Nach einem am Montagabend veröffentlichten Video wächst nun die Sorge um ihn.

Es gebe keinen Zweifel, dass Protassewitsch im Gefängnis gefoltert werde, schrieb die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja bei Telegram. Die Opposition vermutet, dass er für das Video zu einem "Geständnis" gezwungen worden sei. Der mit einigen Blessuren gezeichnete Blogger sagte, er werde mit den Ermittlern zusammenarbeiten und "Geständnisse über die Organisation von Massenunruhen in der Stadt Minsk" abgeben.

Das Innenministerium hatte in der Nacht zum Dienstag die Festnahme bestätigt, aber zunächst keine Gründe genannt. Auch die Freundin des Bloggers wurde festgenommen. Protassewitsch gehört zu den Mitbegründern des regierungskritischen Nachrichtenkanals Nexta. Die Behörden in Belarus stufen Nexta als extremistisch ein. Der Kanal hatte im vergangenen Jahr nach der Wahl immer wieder zu den Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen.

Ein Mitstreiter Protassewitschs bekommt nun nach eigenen Angaben Morddrohungen. "Sie schreiben mir, dass wir als nächstes an der Reihe sind, dass man uns nicht nach Belarus entführen, sondern in Warschau erschiessen wird", sagte der Blogger Stepan Putilo der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita".

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüsste indes die neuen EU-Sanktionen gegen Belarus. "Die von Belarus erzwungene Landung eines Passagierflugs war gefährlich und inakzeptabel", sagte er und sprach von einer staatlichen Entführung, die zeige, wie ein Regime demokratische Grundrechte angreife. Protassewitsch und seine Partnerin Sofia Sapega müssten sofort freigelassen werden.

Nach Angaben von Eurocontrol gab es seit Anfang April im Schnitt täglich 339 Flüge von und nach Europa durch den belarussischen Luftraum. Besonders häufig sind Verbindungen zwischen Russland (29) und China (14) von und nach Deutschland. Die weitaus meisten Flüge absolvierte die belarussische Staatsfluglinie Belavia mit 46 pro Tag, für die nun ein Landeverbot in der EU gilt.

Belavia hatte am Dienstag zunächst angekündigt, ihre Flüge nach London und Paris bis Ende Oktober auszusetzen. Russland als enger Verbündeter von Belarus will indes an Flügen über das Nachbarland festhalten. Das Aussenministerium in Moskau hatte die Reaktionen des Westens als "Hysterie" bezeichnet./cht/DP/mis

(AWP)