Deshalb wollen die 27 EU-Staaten die Impfkampagne auch weiter vorantreiben, wie aus der Gipfelerklärung zu Covid-19 hervorgeht. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden bis Sonntag rund 220 Millionen Europäer mindestens einmal geimpft sein - rund 60 Prozent der Erwachsenen in der EU. Im zweiten Halbjahr sollen weiter grosse Mengen Impfstoff kommen. "Jetzt gilt es, das Tempo der Impfkampagnen in den Mitgliedstaaten zu erhöhen", schrieb von der Leyen auf Twitter.

Die Pandemie war das erste grosse Thema bei dem zweitägigen Gipfeltreffen - und das vielleicht am wenigsten umstrittene. Daneben standen die Migrationspolitik, das Verhältnis zur Türkei und die Strategie im Umgang mit Russland auf der Tagesordnung.

Überschattet wurde der Gipfel von einem erbitterten Streit in der EU über ein neues ungarisches Gesetz zu Informationen über Homosexualität. 17 Staaten haben Protest eingelegt und warnen vor Diskriminierung sexueller Minderheiten - auch Deutschland. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban wies die Kritik zurück und machte deutlich, dass er das Gesetz nicht zurückziehen will.

Für Wirbel sorgte vorab eine deutsch-französische Initiative zu Russland. Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron warben für eine Kurskorrektur: einerseits härtere koordinierte Sanktionen bei Rechtsverstössen Russlands, andererseits aber auch die Option auf EU-Spitzentreffen mit Präsident Wladimir Putin.

Merkel sagte noch vor der Abreise nach Brüssel im Bundestag: "Meines Erachtens müssen wir dazu als Europäische Union auch den direkten Kontakt mit Russland und dem russischen Präsidenten suchen." Es reiche nicht aus, wenn US-Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten spreche.

Rückendeckung kam unter anderem vom österreichischen Kanzler Sebastian Kurz. Dagegen äusserte sich der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins skeptisch über einen Dialog mit Russland ohne Vorbedingungen: Zugeständnisse ohne Gegenleistung sehe der Kreml nicht als ein Zeichen von Stärke. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte, er habe nichts gegen ein Treffen der EU-Spitzen mit Putin, aber er selbst werde an einem solchen Gipfel nicht teilnehmen. Der Vorschlag sollte am Abend in der Gipfelrunde debattiert werden.

Schnell einig waren sich die 27 Staaten bei einer Gipfelerklärung zur Migration. Allerdings war schon vorher klar, dass bei der gemeinsamen Asylpolitik kein Forschritt erzielt würde. Deshalb konzentrierte sich die Erklärung auf äussere Aspekte. Darin ist die Rede von pragmaitischen, flexiblen und individuell zugeschnittenen Vereinbarungen mit Herkunfts- und Transitländern, um Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten.

Doch gibt es neue Sorgen: Der Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan könnte die Lage dort noch unsicherer machen und noch mehr Menschen in die Flucht nach Europa treiben. Die Baltenstaaten warnen zudem vor einer Fluchtbewegung über Belarus in die EU. Die Zahl der Migranten an der belarussisch-litauischen Grenze sei dramatisch gestiegen, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda. Dahinter wird ein gezieltes Manöver des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko vermutet, um die EU unter Druck zu setzen.

Für Merkel ist es der letzte planmässige EU-Gipfel vor der Bundestagswahl, bei der sie nicht mehr antritt. Doch könnte sie vor der Bildung der neuen Bundesregierung noch einmal im Oktober beim Gipfel dabei sein. Bei einer Regierungserklärung im Bundestag betonte die Kanzlerin, wie wichtig die enge Zusammenarbeit der EU in Krisen wie der Pandemie sei. Im ersten Corona-Schock sei national statt europäisch abgestimmt gehandelt worden. "Wir wissen heute, dass wir das besser können und das auch in Zukunft besser machen werden", sagte Merkel.

Zum Auftakt des EU-Gipfels berieten die Staats- und Regierungschefs mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Dieser forderte die EU auf, in Migrationsfragen gemeinsam zu handeln und mehr Solidarität mit den Ländern zu zeigen, die Geflüchtete aufnehmen./vsr/DP/he

(AWP)