Die von der Politik geforderten schärferen Eigenkapitalvorschriften lösen seit einigen Handelstagen fast schon panikartige Verkäufe von Aktien der Schweizer Grossbanken aus. Die Titel der UBS sackten seit Mitte der letzten Woche rund 15 Prozent ab, ebenso die Aktien der Credit Suisse, die sich nun auf dem Stand von Anfang Juli befinden.

Grund für den Mini-Crash der beiden Bankvaloren sind die Worte der Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, welche über die Sonntagspresse die Eigenkapitalpolster der beiden Banken als für zu gering betrachtete. Zuvor machte die UBS bekannt, dass die Finma bei den Banken eine zusätzliche Eigenkapitalunterlegung von Risikoaktiven für Rechtsfälle und ähnliche Ereignisse verfügt habe. Hinzu kamen bei beiden Banken magere Quartalsergebnisse.

Beim Eigenkapitalpolster ist die Rede von einer Leverage Ratio - also das ungewichtete Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme und einigen darüber hinausgehenden Positionen - von 6 bis 10 Prozent. Dies bedeutet für die Banken je nach Berechnungsart einen zusätzlichen Kapitalbedarf von mehreren Milliarden Franken. In ihren Berichten zum dritten Quartal wiesen die Credit Suisse eine Leverage Ratio von 4,5 Prozent und die UBS eine von 4,2 Prozent aus.

«Suppe nicht so heiss, wie sie gekocht wird»

Trotz der ungewissen Lage halten viele Marktbeobachter den beiden Grossbanken-Titeln die Stange. So belässt ZKB-Analyst Andreas Venditti seine Empfehlung der UBS auf "Übergewichten" und für die Credit Suisse auf "Marktgewichten". Im Falle der UBS empfiehlt Venditti den Anlegern sogar, die Kursrücksetzer als Einstieg zu nutzen.

"Die Grossbanken haben in den letzten zwei Jahren, was die Reduktion der Bilanzrisiken angeht, beachtliche Fortschritte erzielt", sagt Venditti. Die plötzliche Änderung der Spielregeln verunsichere aber den Markt, gibt Venditti zu.

Auch Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie bei der Hyposwiss Privatbank, hält ihre Kaufempfehlung aufrecht, und zwar für beide Titel. Zwar werde derzeit der Markt von diversen Gerüchten dominiert, welche sich negativ auf die Kursentwicklung der beiden Grossbanken-Aktien auswirkten, so Hilb. "Die Suppe wird aber nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wird".

Die Titel der UBS und der CS werden laut Hilb einen Rebound erleben, sobald mehr Klarheit über Grad und Ausmass einer Kapitalerhöhung bestehe. Ganz im Sinne von "Buy on Bad News" erachtet die Anlagestrategin einen Einstieg für risikobewusste Anleger als günstig.

«Markt hat überreagiert»

Selbst für die Zürcher Privatbank Rahn & Bodmer Co., welche Banktitel seit längerem untergewichtet, überrascht die heftige Marktreaktion. "Viele Negativmeldungen über die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sind eingepreist", sagt Anlagechef Eric Steinhauser. "Der Markt hat hier wohl etwas überreagiert". Den Vorzug würde der Anlagechef der UBS geben, da sie im Vergleich zur Credit Suisse bezüglich Regulationen und Rechtsfällen weiter fortgeschritten sei.

Weniger optimistisch geben sich hingegen die angelsächsischen Finanzhäuser. So korrigiert die US-Bank Morgan Stanley ihr Rating am Dienstag für die Aktien der Credit Suisse von "Overweight" auf "Equalweight", belässt das Kursziel aber bei 31 Franken. Derzeit notieren die CS-Titel bei knapp 26 Franken. Und die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs strich die UBS-Aktien zwar von der viel beachteten "Conviction Buy List", hält aber an ihrer Kaufempfehlung fest.

Goldman Sachs befürchtet, dass die geforderte Kapitalerhöhung die Aussicht auf höhere Kapitalrückflüsse an die Aktionäre für noch längere Zeit unwahrscheinlich mache. Die UBS musste ihre Pläne einer Dividendenerhöhung für 2014 Anfang Oktober begraben, nachdem die Finanzmarktaufsicht Finma  von der Grossbank verlangte, die Risiken aus den Rechtsfällen in ihren Büchern höher zu gewichten.

Viele unbekannte Faktoren

Erste Berechnungen von Analysten würden eine Kapitallücke von etwas über 10 Milliarden Franken für UBS und CS ergeben, wenn die neue Verschuldungsquote von 6 Prozent ab 1.1.2016 eingeführt würde. Andere Berechnungen hingegen gehen von einem zusätzlichen Kapitalbedarf von 18 Milliarden für die Credit Suisse und von 15 Milliarden Franken für die UBS aus.

Die Berechnungen über mögliche Kapitallücken sind denn auch laut Branchenkennern mit sehr grosser Unsicherheit behaftet. Auch ein Vergleich mit Modellrechnungen in anderen Staaten hilft nicht wirklich weiter.  So hat zum Beispiel die US-Aufsichtsbehörde im Sommer ebenfalls eine Erhöhung der Leverage Ratio auf 6 Prozent und höher für die Grossbanken gefordert. "Dabei handelt es sich aber um eine andere Berechnung", so Venditti.