Die US-Notenbank Fed stemmt sich mit Zinserhöhungen im XXL-Format gegen die ausufernde Inflation. Doch in den USA haben sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft zuletzt keineswegs verschärft. Obwohl die US-Konjunktur Zinsanhebungen der Fed im Juni und Juli von zusammen 1,50 Prozentpunkten verkraften musste, boomt der US-Aktienmarkt. Die Renditen der langlaufenden US-Staatsanleihen sind sogar gesunken. Das erschwert den Kampf der Währungshüter gegen die hohe Teuerung.

Schliesslich ist es ihr Ziel, Kredite zu verteuern, um die Nachfrage von Konsumenten und Unternehmen nach Waren und Dienstleistungen zu dämpfen. Und wenn sich das Geld verteuert, wird weniger in riskante Aktien oder andere Vermögenswerte investiert. Doch seit der Zinsanhebung der Fed im Juni ist der breit gefasste US-Aktienindex S&P 500 um 13 Prozent geklettert, die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen um 0,7 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent gesunken.

Noch im Juni seien die Finanzierungsbedingungen so gewesen, wie sie zur Einbremsung von Lohnwachstum und Inflation notwendig seien, meint Volkswirt Daan Struyven von der Investmentbank Goldman Sachs. Nun seien sie zu locker. Patrick Saner, Leiter Konjunkturstrategie beim Rückversicherer Swiss Re, sieht das genauso. Die Finanzierungsbedingungen müssten straffer werden. Dazu sollten Preisrückgänge bei riskanten Vermögenswerten zu sehen sein, sinkende Aktienkurse und ein Renditeanstieg bei Anleihen mit langer Laufzeit, sagt Saner.

Hinter den lockeren Finanzierungsbedingungen stehen insbesondere Rezessionsängste an den Kapitalmärkten. Diese führten bereits dazu, dass Anleger nicht nur ihre Erwartungen zurückschraubten, wie weit die Fed auf ihrem Zinserhöhungskurs wohl noch gehen wird. Inzwischen werden an den Börsen für Ende 2023 sogar wieder erste Zinssenkungen erwartet. So gehen Investoren am Geldmarkt jetzt davon aus, dass die Fed ihre Straffungsschritte im März 2023 bei einem Leitzinsniveau von etwa 3,6 Prozent vorerst beenden wird. Noch vor der Juni-Zinssitzung hatten sie dies bei mehr als 4,0 Prozent erwartet. Zudem rechnen sie mittlerweile mit Zinssenkungen im Umfang von rund 0,5 Prozentpunkten bis Ende 2023. Aktuell liegt der der geldpolitische Schlüsselsatz in den USA in einer Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent.

Mehrere Fed-Vertreter hatten sich zuletzt gegen derartige Spekulationen gewendet. In Reden betonten sie ihre Entschlossenheit, erst dann vom Zinserhöhungskurs abzuweichen, wenn der Inflationsschub beständig und auch nachhaltig nachlässt. Neel Kashkari, Präsident des Fed-Ablegers von Minneapolis, bezeichnete Zinssenkungen im kommenden Jahr als "sehr unwahrscheinliches Szenario". Bill Dudley, ehemaliger Chef der Fed-Filiale von New York, warnte in einem Gastbeitrag für Bloomberg News vor den Konsequenzen solcher Börsenspekulationen: "Wunschdenken an den Börsen macht die Arbeit nur noch schwieriger, indem dadurch die Finanzierungsbedingungen gelockert werden und noch mehr geldpolitische Straffung notwendig wird, um das auszugleichen." 

(Reuters)