Die populistische 5-Sterne-Bewegung wies am Dienstag Medienberichte zurück, wonach der Juraprofessor Giuseppe Conte sich in seinem Lebenslauf mit falschen Lorbeeren schmückt. Darin hatte der in seinem Heimatland bislang weitgehend unbekannte Kandidat unter anderem die New York University als eine Auslandsstation in seinem akademischen Werdegang aufgeführt. An der Universität war er einem Bericht der "New York Times" jedoch weder als Student noch als Lehrbeauftragter jemals eingeschrieben. Laut den 5 Sternen hat Conte den Aufenthalt genutzt, um sein Englisch aufzufrischen.

Conte soll die Regierung aus 5 Sternen und der rechtsextremen Lega führen, allerdings stand die Zustimmung von Staatspräsident Sergio Mattarella noch aus. Neben Spekulationen über die Qualifikation des Kandidaten treibt auch die Sorge über einen Konfrontationskurs der künftigen Regierung mit Brüssel die Finanzmärkte um: Die zusehends nervösen Investoren verlangten von Italien zwischenzeitlich mit 2,418 Prozent die seit 14 Monaten höchste Rendite für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Erste Stimmen an den Märkten warnen bereits davor, die Papiere zu kaufen. Die Börse in Mailand indes tendierte kaum verändert.

Europäische Warnung vor Alleingängen

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, dringt auch vor diesem Hintergrund auf eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik in Rom. "Wir können nur dazu raten, bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf Kurs zu bleiben, das Wachstum mit Strukturreformen zu fördern und das Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu halten", sagte er dem "Handelsblatt". Die französische Europaministerin Nathalie Loiseau warnte die künftigen Regierungspartner in Rom vor Alleingängen: In Europa sei dies "weder möglich noch erstrebenswert", sagte sie im französischen Parlament.

5 Sterne und Lega haben in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, die Konjunktur mit "begrenzten" schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben zu wollen. Sie fordern eine Überprüfung der EU-Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie des Euro-Stabilitätspakts. Den Bürgern versprechen sie ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat, Steuersenkungen, höhere Sozialausgaben und die Rücknahme der Rentenreform, mit der das Rentenalter heraufgesetzt werden sollte.

Conte ist ein auf politischer Bühne bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt und lehrt als Professor an der Universität Florenz. Er steht der 5-Sterne-Bewegung nahe und hat im Wahlkampf für den Abbau der Bürokratie geworben. Präsident Mattarella muss ihm allerdings noch das Mandat zur Regierungsbildung erteilen. Am Dienstag wollte sich Mattarella dazu mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern beraten. Aus seinem Umfeld verlautete, er benötige Zeit zum Nachdenken. In italienischen Gazetten kursierten auch Berichte, Conte stehe dem Vatikan nahe und sei ein Verehrer des Kapuzinermönchs Pater Pio, der der Legende nach als Wunderheiler wirkte.

«Marionette der Populisten»

Für Commerzbank-Ökonom Cristoph Rieger ist es bezeichnend, dass mit Conte ausgerechnet ein bislang wenig profilierter Akteur Aushängeschild der Regierung werden soll: "Conte wirkt eher wie eine Marionette von 5 Sternen und Lega, die deren Agenda durchsetzen soll." Vor dem Hintergrund der politischen Unwägbarkeiten warnen Analysten vor Geldanlagen in italienische Staatsanleihen. "Die weitere Entwicklung in Italien ist mit so viel Unsicherheit belastet, dass wir zur Vorsicht raten", sagt Anleiheexperte Martin Hasse von der Privatbank M.M. Warburg. Sollten die Populisten in Italien ihren Konfrontationskurs mit der EU beibehalten, werde die Rendite auf italienische Staatspapiere voraussichtlich weiter steigen. Renditen von 2,5 Prozent für zehnjährige Anleihen seien möglich. Damit sind die Renditen aber immer noch weit entfernt von den Hochphasen der Eurokrise Ende 2011, damals rentierten Italien-Bonds zeitweise bei 7,5 Prozent.

Trotz der jüngsten Turbulenzen um Italien rüttelt die Europäische Zentralbank (EZB) mehreren Händlern zufolge nicht am Umfang ihrer Käufe von Staatsanleihen der drittgrössten europäischen Volkswirtschaft. Marktteilnehmer wiesen damit Spekulationen zurück, die Euro-Wächter würden womöglich mit Blick auf die Regierungsbildung in Rom weniger italienische Schuldenpapiere erwerben als üblich. Sie würden auf diesem Weg womöglich den Politikern ein Warnsignal geben wollen. Der zuletzt starke Anstieg der Renditen italienischer Anleihen hatte diese Gerüchte am Markt genährt. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab. Die Zentralbank richtet sich bei ihren Käufen nach einem Schlüssel, der sich an der wirtschaftlichen Größe der einzelnen Länder orientiert.

(Reuter)