Die britische Premierministerin Theresa May benötigt bei der Unterhaus-Abstimmung am 11. Dezember eine Mehrheit für das mit der Europäischen Union (EU) ausgehandelte Brexit-Abkommen. Aber Kritiker von allen Seiten stehen Schlange - Befürworter wie auch Gegner des für den 29. März 2019 angesetzten Austritts aus der EU. Derzeit ist eine Mehrheit für May nicht in Sicht.

Die Regierung hätte im Fall einer Ablehnung 21 Tage Zeit, um sich zum weiteren Verfahren zu äussern. Bisher hat sie stets erklärt, Grossbritannien werde die EU auch ohne Abkommen verlassen. Doch es ist kaum zu erwarten, dass sich die Regierung der fünftgrössten Volkswirtschaft der Welt angesichts möglicher Turbulenzen an den Finanzmärkten so lange Zeit liesse.

Das Unterhaus debattiert fünf Tage bis zur Abstimmung am kommenden Dienstag (von Samstag bis Montag findet keine Debatte statt) über das Brexit-Abkommen. Das Votum soll am 11. Dezember um 20.00 Uhr unserer Zeit beginnen. Zunächst werden bis zu sechs Änderungsanträge zur Abstimmung gestellt. Danach folgt die Schlussabstimmung über das Abkommen. Dafür verlassen die Abgeordneten - ausserhalb der Sichtweite von Kameras und Zuschauern - den Saal durch unterschiedliche Türen für "Ja" oder "Nein". Das kann bei 650 Abgeordneten bis zu 15 Minuten dauern. Vier Stimmenzähler treten dann vor den "Speaker", den Parlamentspräsidenten: Einer wird das Ergebnis laut vorlesen.

Wie könnten die nächsten Schritte nach einer Niederlage aussehen?

May tritt zurück

May könnte als Parteichefin der Konservativen zurücktreten, womit ein interner Wettbewerb um ihre Nachfolge als Regierungschefin ohne Neuwahlen begänne. May hat gesagt, sie gehe davon aus, in zwei Wochen noch Regierungschefin zu sein.

Tories setzen May ab

Unter den konservativen Abgeordneten im Unterhaus könnten Bemühungen Auftrieb erhalten, May mit einem fraktionsinternen Misstrauensvotum zu Fall zu bringen. Zuvor müssten mindestens 48 der 315 konservativen Mandatsträger einen Antrag einbringen. Sollte er erfolgreich sein, würde wiederum ein interner Wettbewerb um ihre Nachfolge in Gang gesetzt.

Neuverhandlungen mit der EU

Die Regierung könnte versuchen, in neuen Verhandlungen über das Brexit-Abkommen weitere Zugeständnisse der EU an die Briten zu erreichen. Sie könnte dann im Unterhaus erneut abstimmen lassen. May und die EU haben aber erklärt, dass das Paket nicht wieder aufgeschnürt werde.

Misstrauensvotum der Opposition

Die oppositionelle Labour-Partei könnte versuchen, ein Misstrauensvotum im Unterhaus anzusetzen, um ohne Neuwahlen einen Regierungswechsel herbeizuführen. Sollte sich eine Mehrheit der Abgeordneten gegen May aussprechen, hätte Labour zwei Wochen Zeit, um bei einer neuen Abstimmung unter Beweis zu stellen, dass sie über eine Mehrheit zur Regierungsbildung im Parlament verfügen.

Neuwahlen

Wenn May ein Misstrauensvotum verlöre, Labour aber keine Mehrheit zur Regierungsbildung hätte, würden Neuwahlen ausgerufen. May könnte auch von sich aus eine Neuwahl ansetzen, wenn zwei Drittel der Mandatsträger dafür sind. May hat erklärt, Neuwahlen seien nicht im Interesse des Landes.

Mittelfristig gäbe es weitere Möglichkeiten:

Noch einmal über Brexit abstimmen

Es könnte eine zweite Volksabstimmung über den EU-Austritt stattfinden. Der Weg dorthin ist unbestimmt, aber eine lautstarke Zahl von Abgeordneten im Parlament fordert dies. May lehnt dies ab.

Aufschub oder Absage des Brexit

Die Regierung könnte versuchen, den Verhandlungszeitraum mit der EU zu verlängern, um Zeit zu gewinnen - für Zugeständnisse der EU, Neuwahlen oder ein zweites Referendum. Die Regierung könnte auch ihre Absicht zum EU-Austritt widerrufen, was nach einem Gutachten eines EuGH-Generalanwalts möglich wäre. May aber hat erklärt, sie wolle weder den Brexit verzögern noch die Pläne zurücknehmen. 

(Reuters/cash)