Es ist eine tragische, aber weitherum bekannte Geschichte: Im Jahr 2008 starben mindestens sechs Babys und 300'000 wurden krank, nachdem sie in China hergestellte Säuglingsnahrung getrunken hatten, die giftige Chemikalien enthielt.

Als Reaktion darauf schwenkten viele chinesische Eltern auf ausländische Marken um, was Fabrikate wie Aptamil von Danone und Illuma von Nestlé an die Spitze des Marktes katapultierte.

Inzwischen hat sich der Markt gewandelt. Chinas führende Babynahrungs-Marke ist seit zwei Jahren ein Produkt der China Feihe aus Peking, die ihre lokalen Wurzeln betont, statt sie zu verschleiern. "Eher für chinesische Babys geeignet", wird das Produkt in der Werbung angepriesen.

Bei Produktkategorien von Babynahrung und Mineralwasser bis hin zu Sportbekleidung und Hautcrème konkurrieren chinesische Marken inzwischen stark mit globalen Rivalen, deren Wachstum grösstenteils von dem Land abhängig ist. Zunehmendes Nationalbewusstsein hat in den letzten Jahren einheimischen Produkten Auftrieb gegeben. Die Covid-19-Pandemie hat den Wandel noch beschleunigt.

China-Marken sind günstiger

Da die Preise in der Regel niedriger sind als bei ausländischen Marken, nimmt die Attraktivität inländischer Produkte in Zeiten knapper Haushaltsbudgets zu. Auch hat das Wachstum der Online-Käufe die Vorteile der multinationalen Unternehmen bei Vertrieb und Marketing verringert. "Chinesische Käufer zeigen ein stärkeres Vertrauen in lokale Marken", sagt Helen Wong von Qiming Venture Partner, das lokale Startups wie den Dessoushersteller Neiwai und die Kaffeekette Coffee Box unterstützt hat. "Das Coronavirus beschleunigt den Trend, da die Menschen zu Hause bleiben, Livestreaming schauen und einkaufen."

Nach Angaben des Marktforschers Daxue Consulting stellen lokale Firmen mittlerweile sieben der zehn grössten Kosmetikmarken. 2017 waren es nur drei. Ein Beispiel für die Entwicklung ist die Make-up-Linie Maybelline von L’Oréal. Laut Euromonitor International ist ihr Marktanteil in China von mehr als 20 Prozent im Jahr 2010 auf 9,1 Prozent im vergangenen Jahr gesunken.

In der Kategorie Hautpflege und Lotion ging der Marktanteil von L’Oréal Paris von 5,6 Prozent im Jahr 2014 auf 4,5 Prozent im letzten Jahr zurück und lag damit gleichauf mit der lokalen Marke Pechoin. Die wachsende Stärke chinesischer Kosmetikhersteller lässt sich auf ihre clevere Online-Strategie zurückführen, so Derek Deng, Partner bei Bain & Co. in Shanghai. "Aufstrebende chinesische Marken sind vom ersten Tag an eher digital", während multinationale Unternehmen dazu neigen, physische Geschäfte zu bevorzugen.

Im Luxus dominieren internationale Marken

Nach Schätzungen von Euromonitor rangiert die 2017 eingeführte Marke Perfect Diary jetzt direkt hinter mehreren europäischen Marken und kommt auf einen Anteil von 4 Prozent des überlaufenen Marktes für so genannte Farbkosmetika wie Lippenstift und Mascara. In der Werbung wird betont, dass die Produkte von denselben Herstellern stammen wie Dior, Lancôme und Armani, aber für weniger als ein Drittel des Preises verkauft werden. Für eine Hautgrundierungscreme hat sich Perfect Diary mit der Marke Oreos von Mondelez International zusammengetan.

Ausländische Marken sind in China natürlich noch nicht abgemeldet. Sie dominieren in Kategorien wie exklusive Handtaschen und Luxusautos. Estée Lauder verkaufte am Singles’ Day Produkte für mehr als 2 Milliarden Yuan (mehr als 250 Millionen Euro) mit einer Livestreaming-Kampagne, Zwei-für-Eins-Rabatten und Ratenzahlungsplänen.

Und KFC - immer noch die grösste Fast-Food-Kette in China - ergänzt ihre Güggeli mit Produkten wie schnell kochenden, sauren Schneckennudeln für Kunden, die in der Pandemie zu Hause festsitzen. "Die Haltung grosser internationaler Marken ändert sich erheblich", berichtet Wu Wenmi, Gründer von Wenzihui MCN, einer Agentur in Hangzhou, die mit Alibaba zusammenarbeitet. "Sie sind jetzt bescheidener und bereit, unsere Meinungen darüber zu hören, wie man in China erfolgreich sein kann."

China-Firmen sind sehr innovativ

Eine Möglichkeit, die chinesische Unternehmen nutzen, ist ein Marketing, das bei den Einheimischen ankommt. Während ausländische Werbung den Nährwert ihrer Säuglingsnahrung anpreist, pflegt Feihe die Beziehungen zu Verbrauchern über Treueprogramme, Hilfsgruppen für neue Eltern und Buchbände mit Gutenachtgeschichten. Und chinesische Marken passen ihre Waren zunehmend an den heimischen Geschmack an.

China Mengniu Dairy steigerte beispielsweise den Verkauf von Innovationen wie Käse mit Ananasgeschmack und Snacks mit Tintenfisch zusätzlich zu dem Basisangebot aus Milch und Fruchtjoghurt. "Ausländische Marken waren vor drei Jahrzehnten, als sie erstmals nach China kamen, so innovativ", sagte Mengniu-CEO Lu Minfang bei einer Pressekonferenz im November. "Jetzt entwickeln sie sich langsamer als lokale Marken."

(Bloomberg/cash)