Erforderlich seien sofortige Massnahmen, um dies zu verhindern, inklusive einer unmittelbar einzurichtenden Sicherheitszone um das Kraftwerk, heisst es in dem am Dienstag in Wien veröffentlichten Bericht der UN-Behörde. Der Bericht fasst die Erkenntnisse des Besuchs von IAEA-Experten in Europas grösstem AKW vergangene Woche zusammen. Die IAEA stehe jederzeit bereit, um eine Sicherheitszone einzurichten. Die Situation an dem Kraftwerk sei sehr besorgniserregend.
Es seien bei der Untersuchung auch Schäden nahe der insgesamt sechs Reaktoren sowie der Lagerstätten von nuklearem Abfall festgestellt worden, heisst es in dem Bericht weiter. Es seien zwar bereits einige Arbeiten ausgeführt worden, um die Schäden zu beheben, diese seien aber noch nicht abgeschlossen. Die IAEA-Inspektoren hätten bei ihrem Besuch in dem AKW die Präsenz russischen Militärpersonals sowie Fahrzeuge und Ausrüstung der Streitkräfte festgestellt. Die von russischen Soldaten überwachten ukrainischen Techniker des Kraftwerks seien grossem Stress ausgesetzt, zudem bestehe Personalmangel. "Das ist nicht nachhaltig und könnte zunehmend zu menschlichem Versagen führen mit Auswirkungen für die nukleare Sicherheit." Zwei Inspekteure der IAEA befinden sich nach wie vor in dem AKW.
«Nur einen Schritt»
Der Beschuss des AKW-Gelände setzte sich unterdessen fort. Laut IAEA musste die Notstromleitung gekappt werden, um ein Feuer zu löschen. Der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner nächtlichen Videobotschaft, das seit März von russischen Truppen besetzte AKW stehe wegen der erneuten Unterbrechung der Stromzufuhr zum zweiten Mal "nur einen Schritt von einer Strahlenkatastrophe entfernt". Russischer Beschuss sei dafür verantwortlich. "Der Beschuss des Kraftwerks zeigt, dass sich der terroristische Staat nicht darum kümmert, was die IAEA sagen wird und was die internationale Gemeinschaft entscheiden wird", sagte Selenskyj
Russland machte dagegen erneut die Ukraine für den Beschuss verantwortlich. Die ukrainischen Streitkräfte hätten binnen 24 Stunden 20 Artilleriegeschosse auf die Stadt Enerhodar und die Gegend um das dort gelegene AKW Saporischschja abgefeuert. Drei davon seien auf dem AKW-Gelände eingeschlagen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Ein Geschoss sei neben Block 2 explodiert. Die Strahlung an Europas grösstem Kernkraftwerk sei aber normal. Unabhängig überprüfen liessen sich die Angaben beider Seiten nicht.
«Es ist nur eine Frage der Zeit»
Im Kriegsgeschehen treibt die Ukraine nach eigenen Angaben ihre Offensive im Süden und Osten des Landes voran. In dem Ort Wyssokopillja in der südukrainischen Provinz Cherson hissten ukrainische Truppen die blau-gelbe Flagge des Landes, wie auf einem online veröffentlichten Foto zu sehen war. Die Ukraine hole sich Schritt für Schritt ihre Gebiete zurück, sagte Präsident Selenskyj in einem Interview mit ABC News. "Es ist nur eine Frage der Zeit." In der Region Cherson im Süden des Landes seien vier russische Munitionsdepots zerstört worden, teilte das Südkommando der ukrainischen Streitkräfte mit. Auch würden Brücken über den Dnjepr unter Beschuss genommen. Die Angaben zum Kampfgeschehen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Nach Angaben des Gouverneurs der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine wurden bei einem russischen Angriff drei Zivilisten getötet. In der Nacht zum Dienstag seien im Industriegebiet der zweitgrössten ukrainischen Stadt ein zweistöckiges Gebäude sowie ein Wohnhaus, in dem eine 73 Jahre alte Frau lebte, beschädigt worden, schrieb Oleh Synehubow auf Telegram. "Leider ist sie gestorben." Zwei Männer seien in dem Ort Solotschi nördlich von Charkiw ums Leben gekommen. Die Angriffe wurden dem Bürgermeister zufolge am Morgen fortgesetzt. Aus den Trümmern eines Wohnhauses seien drei Menschen gerettet worden, schreibt Ihor Terechow auf Telegram.
(Reuters)