Auch zehn Jahre nach der Welt-Finanzkrise sind nach Auffassung eines der entscheidenden deutschen Krisenbekämpfers von damals wichtige Aufgaben noch unerledigt. "Ich glaube, dass wir in der Summe das Welt-Finanzsystem stabiler gemacht haben", zog Jörg Asmussen in einem Reuters-Interview Bilanz der vielfältigen Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene. Er schränkte aber ein: "Sind wir da, wo wir sein müssten? Nein, noch nicht."

Einiges sei noch unerledigt: etwa im Bereich der Schattenbanken. Auch die hohe Verschuldung in China hält Asmussen für problematisch. Zudem sei in Europa trotz entsprechender Regeln nicht völlig sichergestellt, dass Steuerzahler nicht mehr bei Banken-Schieflagen zahlen müssten.

Asmussen war, als die globale Finanzkrise vor gut zehn Jahren heraufzog, der zuständige Abteilungsleiter im deutschen Finanzministerium. Mitte 2008 wurde er vom damaligen Finanzminister Peer Steinbrück zum Staatssekretär bestellt und blieb das zunächst auch unter Steinbrücks Nachfolger Wolfgang Schäuble.

Er war, neben dem heutigen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann auch Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel, eine der zentralen Personen, die in und für Deutschland "im Maschinenraum" der Krisenbekämpfung arbeiteten. 2012 rückte Asmussen ins Direktorium der Europäischen Zentralbank auf. Seit Mitte 2016 arbeitet er für die Investmentbank Lazard.

Nicht zurückrudern

"Wir brauchen, um immer vorbereitet zu sein, multilaterale Kooperationen, globale Regeln, insbesondere in den harten Bereichen Kapital und Liquidität. Da sollte man nicht zurückrudern und weich werden", formulierte Asmussen eine der Lehren aus der Finanzkrise 2007/2008. Ganz zu vermeiden seien aber Krisen nie. "Man sagte immer, wir wollen alles tun, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt." Man müsse vorsichtiger sein. "Wenn man präzise formuliert, müsste man sagen: wir wollen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass gleichartige Krisen sich wiederholen."

Entscheidend sei, dass man das globale Finanzsystem "mit starken Stossdämpfern in Form von Liquiditäts- und Kapitalanforderungen" abfedern müsse. Dass hier einiges getan wurde, halte er für "unverändert richtig".

Steuerzahler noch nicht aus der Haftung entlassen

Asmussen räumte ein, dass trotz gegenteiliger Bekundungen der Steuerzahler in Europa immer noch nicht ganz aus der Haftung für etwaige Pleiten von Grossbanken entlassen sei. "Ich glaube auch, dass wir, wie die jüngsten Entwicklungen in Italien zeigen, noch nicht da sind, dass der Steuerzahler, die Steuerzahlerinnen, nicht für Banken-Schieflagen zahlen", sagte er. Zwar gebe es inzwischen neue Haftungsregeln, die deren Schonung beinhalteten. "Aber das wird eben noch nicht überall gleich angewendet", bemängelte der frühere Finanzstaatssekretär.

Nach der Erinnerung Asmussens herrschte, als 2006 und 2007 die Finanzkrise mit Problemen bei Immobilienfinanzierern in den USA heraufzog, in den deutschen Regierungsetagen noch keinerlei Alarmstimmung, dass global Ungemach drohte. "Damals waren wir der Auffassung, dass es sich um einzelne Kreditinstitute in Schwierigkeiten handelt", erinnerte er sich mit Blick auf die Existenzkrise der Mittelstandsbank IKB Mitte 2007 und anderer Institute. "Die Erkenntnis einer systemischen Krise und damit auch einer systemischen Antwort, die erforderlich war, gab es erst im Frühherbst 2008."

Erst der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008 habe die Dramatik der Entwicklung deutlich gemacht. "Es dauerte noch rund zwei Wochen, bis die Liquidität im globalen Finanzsystem fast ausgetrocknet war." Und das bedeutete: "Ende September war klar, wir haben eine systemische Finanzkrise".

(Reuters)