Eine Zustimmung war erwartet worden. In den Umfragen hatten sich zwischen 67 und 69% für den neuen Verfassungsartikel ausgesprochen. Das Resultat fiel nun noch deutlicher aus

Zwar hatte ein Komitee für ein Nein geworben. Eine eigentliche Kampagne gab es aber nicht. Das liegt vor allem daran, dass der schwammig formulierte Artikel zumindest kurzfristig kaum etwas ändert.

Laut Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sind in den nächsten Jahren keine Gesetzesänderungen auf Basis der Bestimmungen vorgesehen. Aus Sicht des Bundesrates bestärkt der neue Verfassungsartikel vielmehr die Politik des Bundes.

AUF DRUCK DES BAUERNVERBANDES

Der Artikel beauftragt den Bund, Voraussetzungen zu schaffen, um die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln sicherzustellen. Zustande kam er auf Druck des Bauernverbandes. Die Bauern befürchteten, dass die Agrarpolitik 2014-2017 die einheimische Produktion schwächen würde. Mit einer Volksinitiative wollten sie den Bund daher verpflichten, diese zu stärken.

Dem Bundesrat und der Mehrheit des Parlaments ging das zu weit. Die Gegner warnten vor einer rückwärtsgewandten Agrarpolitik mit mehr Subventionen, mehr Abschottung vom Ausland und intensiver Produktion auf Kosten der Umwelt. Das Parlament arbeitete aber einen Gegenvorschlag aus, der auch Anliegen anderer hängiger Volksinitiativen erwähnt. Der Bauernverband war damit zufrieden und zog seine Initiative zurück.

FÜR JEDEN GESCHMACK

Im neuen Verfassungsartikel ist für jeden Geschmack etwas dabei. Erwähnt werden neben der standortangepassten Produktion die Sicherung des Kulturlandes und ein ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln, was ökologischen Kreisen gefällt.

Gleichzeitig soll die Land- und Ernährungswirtschaft aber auf den Markt ausgerichtet sein. Erwähnt werden auch die grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, wobei diese zur nachhaltigen Entwicklung beitragen sollen.

AUSLEGUNG UMSTRITTEN

Welche dieser Aspekte im Vordergrund stehen und was das genau bedeuten soll, ist umstritten. Aus diesem Grund gab es mehrere Ja-Komitees. Die einen sehen im Verfassungsartikel eine Absage an Protektionismus und eine Grundlage für mehr Freihandel.

Die anderen berufen sich auf die Erwähnung der Nachhaltigkeit und fordern, dass beim Aushandeln von Freihandelsabkommen künftig ökologische und soziale Standards berücksichtigt werden. Der Präsident des Bauernverbandes, Markus Ritter, zeigt sich überzeugt, dass der Verfassungsartikel auf diese Weise Wirkung entfalten wird.

VEREINZELTE NEIN-PAROLEN

Die Deutungshoheit kann niemand für sich beanspruchen. Dass der Verfassungsartikel unterschiedlich interpretiert wird, deutet aber darauf hin, dass er in künftigen Diskussionen über Marktöffnung und Wettbewerb keine zentrale Rolle spielen wird.

Dennoch hatten einige Organisationen für ein Nein geworben: Die Kleinpartei EDU, der Gewerbeverband, die Jungfreisinnigen sowie einzelne FDP-Kantonalparteien. Für ein Nein setzte sich zudem eine Allianz aus landwirtschaftlichen, kirchlichen und sozialen Organisationen ein. Diese befürchten, dass der Bundesrat auf Basis des Artikels die Marktöffnung vorantreiben könnte.

LANDWIRTSCHAFT BLEIBT THEMA

So oder so wird die Landwirtschaft weiterhin für Diskussionen sorgen. Gleich am Montag berät der Nationalrat die Fair-Food-Initiative, die ökologische und soziale Standards für Importprodukte fordert. Vergangene Woche befasste sich der Ständerat mit der Hornkuh-Initiative.

Ebenfalls hängig ist die Initiative "Für Ernährungssouveränität" der Bauerngewerkschaft Uniterre. In dieser geht es um den Schutz des Kulturlandes. Die Initianten fordern aber auch, dass der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft erhöht wird. Zudem sollen Importe von Nahrungsmitteln, die nicht dem Schweizer Nachhaltigkeitsstandard entsprechen, mit zusätzlichen Zöllen belegt werden.

dm/

(AWP)