Zwei Monate nach der Parlamentswahl haben sich die konservative Volkspartei (ÖVP) unter ihrem 31-jährigen Parteichef Sebastian Kurz und die rechte Freiheitliche Partei (FPÖ) auf eine Koalition geeinigt. Die Alpenrepublik ist damit das einzige Land in Westeuropa, wo es künftig eine Regierungsbeteiligung einer rechten Partei gibt.

"Wir dürfen Sie informieren, es gibt eine türkis-blaue Einigung", sagte Kurz am Freitagabend nach der Einigung bei einem kurzen Pressestatement gemeinsam mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Nachdem Kurz im Mai das Ruder bei der ÖVP übernommen hatte, hatte er die Parteifarbe von schwarz in türkis geändert. Der FPÖ wird die Farbe blau zugeordnet.

Details zum Koalitionsvertrag sowie Ministerposten wurden noch nicht bekanntgegeben. Die Parteien wollen am Samstag erst ihren Gremien das Verhandlungsergebnis vorstellen und danach der Öffentlichkeit präsentieren. Zuvor treffen die Parteichefs von ÖVP und FPÖ noch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die Vereidigung der neuen Regierung ist für Montag geplant. "Unsere Ziele sind ganz klar: Wir wollen die Steuerzahler entlasten, wir wollen unseren Standort stärken, auch um unser Sozialsystem zu sichern, und vor allem wollen wir für mehr Sicherheit in unserem Land sorgen auch durch den Kampf gegen die illegale Immigration", sagte Kurz.

Klare Wahlsiegerin

Die ÖVP ist unter der Führung ihres neuen Chefs Kurz mit 31,5 Prozent der Stimmen als klarer Sieger der Parlamentswahl von Mitte Oktober hervorgegangen. In Österreich wurde rund ein Jahr früher gewählt als geplant, da das Kabinett aus SPÖ und ÖVP platzte. Der bisherige Aussenminister fährt einen harten Kurs zum Eindämmen des Flüchtlingszustroms und überschneidet sich in der Migrationspolitik in vielen Punkten mit der Islam-kritischen FPÖ, der vor allem die Flüchtlingskrise in die Hände spielte.

Das Thema Zuwanderung überlagerte, ähnlich wie in Deutschland, lange Zeit alles andere. Aber auch Kurz konnte mit seinem scharfen Asylkurs punkten. Als seinen grössten politischen Erfolg bezeichnet er die Schliessung der Balkanroute im März 2016. Die Blockade des Flüchtlingsweges von der Türkei in Richtung Nordwesteuropa sorgte für deutlich sinkende Migrationszahlen in Österreich und Deutschland.

Die FPÖ konnte bei der Wahl ebenfalls zulegen, landeten mit 26 Prozent aber unter ihrem bisherigen Spitzenergebnis aus 2000 und hinter der bisherigen Regierungspartei SPÖ auf Platz drei. Die Sozialdemokraten, die ein fast identisches Ergebnis wie vor vier Jahren einfuhren, kündigten daraufhin den Gang in die Opposition an.

Das Verhältnis zwischen SPÖ und ÖVP hatte sich in den vergangenen Legislaturperioden stetig verschlechtert. Zuletzt gab es immer mehr Streitereien über die Umsetzung des Regierungsabkommens. Geplatzt war die Koalition dann im Mai, als Kurz die ÖVP von seinem zurückgetretenen Vorgänger Reinhold Mitterlehner übernahm und auf Neuwahlen drängte. Höhepunkt des Zwist war eine Schmutzkübelkampagne während des Wahlkampfs. ÖVP und SPÖ drohten sich daraufhin gegenseitig mit Klagen.

Rechtspopulisten haben Zulauf

Seit 2007 regierte in Österreich ein Kabinett aus SPÖ und ÖVP. Während auf Landesebene Bündnisse zwischen ÖVP und FPÖ seit längerem etabliert sind, kam sie bundesweit erstmals von Februar 2000 bis Januar 2007 zustande. In den 80er Jahren war die FPÖ aber bereits Bündnispartner der SPÖ. Damals erreichte die von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern gegründete FPÖ jedoch nur fünf Prozent der Stimmen.

2000 erreichten die Freiheitlichen dann unter ihrem über die Landesgrenzen hinweg bekannten Chef Jörg Haider mit 26,9 Prozent ihr bisher bestes Wahlergebnis auf Bundesebene. Damals schlüpfte die Partei in die Rolle des Königsmachers und verhalf der drittplatzierten ÖVP zur Kanzlerschaft.

International stiess dies auf breite Ablehnung und auch national kam es zu Protesten. Mehr als 100.000 Menschen demonstrierten in der Wiener Innenstadt und die EU verhängte Sanktionen gegen das Land. Auch rund um die aktuellen Koalitionsverhandlungen gab es immer wieder Demonstrationen, die Teilnehmeranzahl war aber weit geringer als damals. Auch im Ausland dürften die Wogen heute nicht mehr so hoch gehen.

Rechtspopulisten haben in vielen Ländern Europas grossen Zulauf, zugleich sind die etablierten Parteien in einer Vertrauenskrise. Es gibt aber Bedenken, dass die EU-kritische FPÖ nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU ebenfalls einen solchen Schritt forcieren könnte. Schliesslich forderte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Abstimmung über den weiteren Verbleib in der EU, sollte sich die EU nicht reformieren und Länder wie die Türkei hereinholen.

Kritisch wird auch gesehen, dass die FPÖ mit rechten Parteien wie der französischen Front National im EU-Parlament eine Fraktion teilt. Präsident Van der Bellen mahnte daher von der künftigen Regierung die Einhaltung der in der Verfassung festgeschriebenen europäischen Grundwerte ein. Auch der ÖVP-Chef und designierte Kanzler Kurz versuchte zu beruhigen und betonte, dass die neue Regierung pro-europäische sein müsse.

(Reuters)