Die mittlere Prämie für Erwachsene steigt auf 397,20 Franken im Monat, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag an einer Medienkonferenz mit Bundesrat Alain Berset bekannt gab. Das entspricht einem Anstieg um 6,6 Prozent.

Die Prämie für junge Erwachsene verteuert sich um 6,3 Prozent auf 279,90 Franken im Monat. Und die Prämien für Kinder steigen um 5,5 Prozent auf durchschnittlich 105 Franken.

Nach vier Jahren Stabilität sei der Anstieg "beträchtlich", teilte das für die Bewilligung der Prämien zuständige BAG mit. Gesundheitsminister Alain Berset sagte, die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen belasteten das Gesundheitssystem stark.

Pandemie als Spielverderber

Die Pandemie verursachte zum einen direkte Kosten etwa für Spitalbehandlungen und Impfungen. Die Impfungen allein kosteten die Krankenkassen gemäss Berset 244 Millionen Franken, die Behandlungen etwa weitere 300 Millionen.

Zum zweiten verursachte die Pandemie indirekte Kosten unter anderem durch verschobene Eingriffe. Dies führte zu Nachholeffekten, die ab der zweiten Hälfte 2021 stark zunahmen. Damit stiegen die Kosten in allen Bereichen, wie Berset erklärte. Gesamthaft belief sich das Kostenwachstum auf 4,5 Prozent. Diese Entwicklung setzte sich im ersten Halbjahr 2022 fort.

Die Berechnung der Prämien basiert auf Schätzungen. Nach Angaben des BAG erschwerte die Corona-Pandemie die Arbeiten dieses Mal. Die Nachholeffekte seien unterschätzt worden, gab BAG-Vizedirektor Thomas Christen zu. Die Prämien 2021 jedenfalls deckten die Kosten nicht. Deshalb ist der Prämienanstieg 2023 vom Gesetz her zwingend, wie Berset unterstrich.

In den vergangenen fünf Jahren verteuerten sich die Krankenkassenprämien um jährlich moderate 1,5 Prozent, für 2022 sanken sie sogar. Das hätte sich dank Kostensenkungen fortgesetzt, wäre nicht die Pandemie dazwischen gekommen, sagte Berset.

Höhere Prämienverbilligung

Berset erklärte weiter, durch den Prämienanstieg überlastete Haushalte könnten von der Prämienverbilligung profitieren. Der Bund habe seine Beiträge dafür seit 2011 im Gleichschritt mit den Gesundheitskosten erhöht.

Etliche Kantone hätten dies unterlassen oder ihre Beiträge sogar gekürzt. Mit seinem vom Nationalrat gutgeheissenen Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungsinitiative der SP wolle der Bundesrat die Prämienverbilligung durch die Kantone ebenfalls an die Kosten binden.

Zudem ist eine vom Nationalrat bereits gutgeheissene dringliche Erhöhung des Bundesbeitrags für die individuelle Prämienverbilligung um 30 Prozent hängig. Gemäss den Plänen des Nationalrats soll die Erhöhung zur Abfederung der Teuerung dienen.

Der Ständerat wies den Vorschlag am Montag zur Prüfung an seine Kommission zurück. Er will zuerst wissen, ob die Abfederung auch wirklich den Hilfsbedürftigen zugute kommt.

Reserven der Versicherer schrumpfen

In den vergangenen Jahren konnten die Krankenkassen das Prämienwachstum dämpfen, indem sie ihre Reserven anzapften. Bundesrat und Parlament hatten sie dazu gedrängt. Berset sagte, die Reserven seien Geld der Versicherten und müssten auch diesen zugute kommen.

Gemäss dem BAG ist dieser Spielraum bei den Reserven für 2023 geringer. Die Lage an den Finanzmärkten und der Krieg in der Ukraine schmälerten die Erträge aus den Reserven.

Wie Alain Berset ausführte, hatten die Krankenversicherer Ende 2021 Reserven von 12 Milliarden Franken. Ende 2023 dürften es Berechnungen zufolge noch 9,5 Milliarden sein und damit deutlich mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 6,4 Milliarden Franken. Die Kassen seien angehalten, die Reserven abzubauen - "dort, wo es möglich ist", sagte der Gesundheitsminister.

Kostendämpfung als Daueraufgabe

Eine Ende des Kostenwachstums im Gesundheitssektor ist nicht in Sicht. Berset und das BAG verwiesen indessen auf Massnahmen zur Kostendämpfung.

Kürzlich verabschiedete der Bundesrat neben dem Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der Mitte ein zweites Massnahmenpaket. Zudem ist eine Verordnungsänderung in der Vernehmlassung, welche etwa die Generika-Förderung vorsieht.

Der Nationalrat hatte die indirekten Gegenvorschläge zu den Krankenkassen-Initiativen von SP und Mitte in der Sommersession beraten und verabschiedet. Der Ständerat wollte das in der aktuellen Herbstsession tun, meldete aber unterdessen erhöhten Zeitbedarf an.

(AWP)