Die knapp 500 Kilometer lange Grenze wird täglich von 30 000 Menschen ohne Pass- und Warenkontrollen passiert. Eine Rückkehr zu einer befestigten Grenze nach der Trennung von der Europäischen Union schloss die britische Regierung aus. Es werde "keine physische Infrastruktur jeglicher Art an der Grenze" geben, so Premierministerin Theresa May.

Stattdessen könnte - so der Vorschlag aus London - ein neues Zollabkommen mit der EU so ausgestaltet werden, dass Grenzposten unnötig würden. Die britische Regierung will sich insbesondere bei Agrarprodukten und Lebensmitteln mit der EU auf gemeinsame Standards einigen, um Kontrollen zu vermeiden. Das könnte Schwierigkeiten aufwerfen, da London neue Freihandelsabkommen mit Ländern wie den USA, China und Indien schliessen will, deren Produktstandards sich stark von den europäischen unterscheiden.

Britische und irische Staatsbürger sollen sich zudem weiterhin ungehindert zwischen Grossbritannien und Irland bewegen können. Wie London die Einreise anderer Staatsbürger kontrollieren will, blieb offen.

Die Reaktion aus Brüssel war verhalten. "Es ist unbedingt notwendig, dass wir erst einmal eine politische Diskussion haben, bevor wir uns mögliche technische Lösungen anschauen", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Mittwoch.

Die Republik Irland und Nordirland fürchten durch die neue EU-Aussengrenze wirtschaftliche Einbussen und dass alte Wunden in der früheren Bürgerkriegsregion aufgerissen werden. Die EU-Mitgliedschaft beider Teile der irischen Insel und der freie Grenzverkehr waren wichtige Bausteine für den Friedensschluss im Karfreitagsabkommen von 1998. Im Nordirland-Konflikt kämpften pro-irische Katholiken unter Führung der Untergrundorganisation IRA gegen pro-britische Protestanten. Tausende Menschen kamen damals ums Leben.

Den Vorschlag der Republik Irland, die Grenzkontrollen an Häfen und Flughäfen der geteilten Insel zu verlegen, erteilte London eine klare Absage. Das sei "total inakzeptabel", sagte May.

Bei vielen Politikern aus Nordirland und der Republik Irland stiess das Positionspapier auf Kritik. Sie bezeichneten die Vorschläge als realitätsfern und bemängelten das Fehlen von Absprachen: Nordirland hat seit mehreren Monaten keine Regionalregierung mehr. Die bisherigen Koalitionspartner sind verkracht; mehrere Fristen zur Regierungsbildung in dem Landesteil sind bereits verstrichen.

London will neben der EU auch den Europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Dadurch soll das Land in die Lage versetzt werden, neue Handelsabkommen mit Drittländern wie den USA oder China abzuschliessen. Bisher hat nur die EU das Recht, Handelsabkommen für die Zollunion zu schliessen. Einmal im gemeinsamen Zollgebiet, müssen Waren nicht mehr verzollt werden, wenn sie über eine Landesgrenze gebracht werden. Im Falle Grossbritanniens würde sich das nach dem Brexit ändern. Grenzkontrollen wären nötig.

Bereits am Dienstag hatte London Pläne für ein künftiges Zollabkommen zwischen der EU und Grossbritannien vorgelegt. Demnach sollten die Kontrollen entweder weitgehend elektronisch abgewickelt werden oder bereits vor dem Grenzübertritt stattfinden. Ausserdem soll es eine Übergangsphase geben, in der weitgehend alles beim alten bleibt.

Die EU-Kommission begrüsste die Positionspapiere. Natürlich würden sie schon jetzt sorgfältig analysiert, hiess es. Die Sprecherin der EU-Kommission verwies aber am Mittwoch nochmals auf das Grundprinzip, über künftige Beziehungen zu Grossbritannien erst zu sprechen, wenn "ausreichender Fortschritt" bei den Diskussionen über die Trennungsfragen erreicht ist. Dazu gehören auch finanzielle Forderungen gegenüber London und die Bleiberechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern im Königreich und der 1,2 Millionen Briten in der EU./cmy/DP/stk

(AWP)