Sie legt nahe, dass Macron den heftigen Schlagabtausch mit der Front-National-Chefin klar für sich entschieden hat. Nach der jüngsten Elabe-Erhebung für den Fernsehsender BMF und das Magazin "L'Express" kommt Macron am Freitag - dem letzten Tag eines turbulenten Wahlkampfes - auf 62 Prozent der Stimmen, Le Pen auf 38 Prozent.

Der frühere Wirtschaftsminister hat demnach drei Punkte gegenüber der vorherigen Elabe-Umfrage gewonnen. Es ist der beste Wert, den eines der grossen Institute für ihn seit der ersten Wahlrunde am 23. April ermittelt hat.

Unsicherheiten birgt allerdings die Wahlbeteiligung. Meinungsforschern zufolge könnte diesmal ein Viertel der Wähler den Urnen fernbleiben - das wäre der zweithöchste Wert seit 1965. An der ersten Runde beteiligten sich laut Innenministerium knapp 78 Prozent.

Meinungsforscher schätzen, dass mindestens 15 Prozent der rund 47 Millionen Wahlberechtigten noch unentschieden sind, wem sie ihre Stimme geben. Vor allem viele Linke, die vom Abschneiden ihrer Kandidaten enttäuscht sind, wollen nun weder Macron noch Le Pen ihre Stimme geben und gehen gar nicht erst zur Wahl.

Schicksalswahl

Die Abstimmung am Sonntag ist eine der wichtigsten in Frankreich seit Jahrzehnten. Die Franzosen müssen sich entscheiden zwischen einem pro-europäischen früheren Investmentbanker, der staatliche Regulierung für Unternehmen beschneiden und zugleich Arbeitnehmerrechte schützen will, und einer EU-skeptischen Rechtsextremen, die raus aus der Euro-Zone und strikte Begrenzungen für Einwanderer will.

Wer immer am Sonntag in Frankreich gewinnt, muss ein polarisiertes Land einen und Misstrauen überwinden. Die etablierten Volksparteien haben dies bereits zu spüren bekommen. Der scheidende sozialistische Präsident François Hollande ist so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger und trat gar nicht erst zur Wiederwahl an.

Erstmals seit 1958 findet eine Stichwahl für das Präsidentenamt statt, bei der weder ein Konservativer noch ein Sozialist dabei ist. Mit Macrons "En marche" (Vorwärts) ist ein neuer Akteur im Spiel. Auch wenn der erst vor einem Jahr ins Leben gerufenen Bewegung der Unterbau einer etablierten Partei fehlt, geben ihr manche Meinungsforscher gute Chancen, bei der Parlamentswahl im Juni die meisten Stimmen zu holen.

(AWP)