Er wolle die Spaltung des Landes überwinden, sagte der 39-Jährige in Paris. "Ich kenne die Wut, die Angst und die Zweifel" der Franzosen. Sein Ziel sei es, "die Einheit der Nation zu sichern" und die Bürger wieder mit Europa auszusöhnen.

Le Pen gestand ihre Niederlage ein und gratulierte Macron zum Wahlsieg. Sie kündigte ihm aber wenige Wochen vor der im Juni anstehenden Parlamentswahl eine harte Opposition ihrer Partei Front National an.

"Frankreich hat die Kontinuität gewählt", sagte Le Pen, die Macron immer wieder als Erbe des scheidenden sozialistischen Präsidenten François Hollande tituliert hat. Der Sieg ihrer Partei sei historisch, sagte sie. Die Partei müsse sich nun aber erneuern, damit sie eine neue politische Kraft werden könne.

Zwei von drei stimmen für Macron

Hochrechnungen zufolge kam Macron auf mindestens 65 Prozent der Stimmen, Le Pen erhält maximal 35 Prozent. Macron gewann somit mit grösserem Abstand als von den letzten offiziellen Umfragen vorhergesagt. Tausende Macron-Anhänger jubelten nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen im grossen Innenhof des Louvre-Museums im Herzen der Hauptstadt.

Macron wird das jüngste Staatsoberhaupt seit Napoleon. Die Nachfolge des scheidenden Amtsinhabers François Hollande wird er spätestens am kommenden Sonntag antreten. Macron plant sozialliberale Reformen in Frankreich und will die Zusammenarbeit in der EU und in der Eurozone vertiefen.

Der Ausgang der Wahl ist nicht nur wegweisend für die französische Politik der kommenden Jahre. Der Urnengang galt auch als Schicksalswahl für Europa: Le Pen hatte ein Referendum über einen EU-Austritt Frankreichs angekündigt und ist gegen den Euro.

Chancen auf Mehrheit im Parlament

Auch wenn Le Pen nicht in den Élyséepalast einzieht, hat sie das politische Gefüge in Frankreich massgeblich auf den Kopf gestellt. Der 48-Jährigen ist es gelungen, der FN als eine für viele Franzosen wählbare nationalistische Partei zu etablieren.

Macron muss nun ein gespaltenes Land einen und vor allem die enttäuschten Nicht-Wähler überzeugen. Dafür bleibt ihm wenig Zeit, denn bereits am 11. und 18. Juni steht die Parlamentswahl an.

Macron wird versuchen, eine eigene Mehrheit zu erringen. Obwohl seine Bewegung "En Marche!" erst vor einem Jahr gegründet wurde und ihr der Unterbau einer etablierten Partei fehlt, sind einige Meinungsforscher überzeugt, dass dies gelingen könnte.

Voraussetzung dafür ist auch eine hohe Wahlbeteiligung. Diesmal aber blieb Umfragen zufolge jeder vierte Wahlberechtigte der Abstimmung fern, vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung bei knapp 80 Prozent. Im April betrug sie noch 78 Prozent. Vor allem viele Linke waren nach der ersten Runde, als sich elf Kandidaten bewarben, enttäuscht vom Abschneiden ihrer Kandidaten und gingen nicht wählen.

Erstmals bestritten eine Stichwahl zwei Kandidaten, die weder den Konservativen noch den Sozialisten angehören. Amtsinhaber Hollande ist so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger und war gar nicht erst für eine zweite Amtszeit angetreten.

Den Sieg Macrons nannte Hollande ein Zeichen der Einheit. Die grosse Mehrheit der Bürger wolle sich um die Werte der Republik versammeln und ihre Zugehörigkeit zur EU zeigen.

Abwechslungsreicher Wahlkampf

Der Wahlkampf in Frankreich war von Skandalen und überraschenden Wendungen geprägt. In der ersten Runde war der durch eine Scheinbeschäftigungsaffäre unter Druck geratene konservative Kandidat François Fillon überraschend ausgeschieden. Ein Debakel erlebten Hollandes Sozialisten: Ihr Kandidat Benoît Hamon erzielte nur 6,4 Prozent.

Kurz vor der Stichwahl war dann ein Hackerangriff auf das Team von Emmanuel Macron bekannt geworden. Tausende Dokumente seiner Mitarbeiter tauchten im Internet auf.

Macrons Bewegung "En Marche!" sprach von einer "massiven und koordinierten" Attacke. Es seien schon vor Wochen erbeutete E-Mails, Verträge sowie andere interne Dokumente ins Netz gestellt worden.

Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete Vorermittlungen ein, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete. Wer hinter dem Cyberangriff steckte, war bis zuletzt unklar. Westliche IT-Experten sehen eine Hackergruppe mit Beziehungen zu russischen Geheimdiensten hinter den Attacken; Russland wies jede Schuld von sich.

(AWP)