Hintergrund der Massnahmen zum Beispiel in den USA und Italien sind auch Befürchtungen vor einer möglicherweise in China entstehenden neuen Virusvariante. Offizielle chinesische Angaben werden etwa von der US-Gesundheitsbehörde CDC als unzureichend gewertet. Aus Mailand verlauteten zudem hohe Zahlen infizierter Passagiere: Am 26. Dezember seien dort zwei Flieger aus China gelandet, wobei von 210 getesteten Passagieren 97 positiv auf Corona getestet worden seien.
Nach fast drei Jahren strikter Vorkehrungen hatte Chinas Führung am 7. Dezember abrupt ein Ende seiner umstrittenen Null-Corona-Politik verkündet. Nach offiziell unbestätigten internen Schätzungen haben sich allein in den ersten drei Dezemberwochen 248 Millionen Menschen oder 18 Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert.
Bislang gebe es keine Hinweise auf eine neue Virusvariante, die gefährlicher sei als die aktuell in Deutschland verbreitete, hiess es von der Bundesregierung. Dies könne sich aber noch ändern.
Als "politische Überreaktion" wertete Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte, die Reisebeschränkungen. "Eine medizinische Notwendigkeit dafür ist aus dem Pandemieverlauf nicht herzuleiten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch zu Corona-Hochphasen in Europa mit Millionen Ansteckungen binnen kurzer Zeit hätten sich keine gefährlicheren Varianten entwickelt - dies nun in China zu erwarten, sei spekulativ.
In jedem Fall böten weder Schnelltests noch PCR-Tests bei symptomlosen Patienten wegen des "viel zu grossen" Zeitfensters vor Abflug absolute Sicherheit, sagte Bobrowski. In den USA darf das Ergebnis nicht älter als zwei Tage sein, in Indien sind es 72 Stunden. Nützlich ist aus Bobrowskis Sicht allenfalls die Untersuchung von Virusvarianten - um zu sehen, was komme.
"Die USA und Italien wollen offenbar in irgendeiner Form auf die Entwicklung in China reagieren und Bevölkerungsschutz demonstrieren. Ich sehe für Deutschland aber derzeit keine Notwendigkeit solcher Schritte", sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb der Deutschen Presse-Agentur. Der Nutzen der Reisebeschränkungen sei fraglich - das Virus lasse sich auch mit Tests nicht aufhalten. Ausserdem träten auch hierzulande derzeit zahlreiche Infektionen mit Omikron auf.
"Gäbe es hier sehr niedrige Inzidenzen könnte man solche Massnahmen noch eher rechtfertigen. Aber wenn nun ein Teil der aus China einreisenden Menschen hier infiziert ankommt, ist nicht gleich eine neue Welle zu befürchten", sagte Zeeb. Natürlich gebe es Wissenslücken zu offiziellen chinesischen Zahlen und etwaigen Varianten. Die Ausgangslage schätzt Zeeb aber anders ein als etwa beim Entstehen von Omikron: Das Virus habe sich damals verändert, um nach ersten Wellen noch Infektionen verursachen zu können - als Immunfluchtvariante. "Da die Immunität in China bisher aber nicht sehr gross ist, kann Omikron dort vermutlich einfach durchlaufen."
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hält neue Einreiseregeln für Reisende aus China dagegen jetzt schon für sinnvoll. Er sagte der Funke Mediengruppe: "Es ist richtig, Test- und Quarantänevorschriften bei Grenzübertritten aus China verpflichtend vorzusehen, wie es in vielen Ländern der Welt gerade geschieht. Auch Deutschland sollte dies tun - aus Vorsicht."
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hält nicht nur neue Vorschriften für Reisende aus China für "Mumpitz". Ihm missfällt auch die öffentliche Debatte darüber. "Gestern ist Corona vorbei. Heute wieder strengere Massnahmen. Genau diese Strategie stiftet Verwirrung in der Bevölkerung."/abc/msw/jac/ggr/DP/nas
(AWP)