Andere Länder wie Polen und Litauen sehen Berichte über angeblich durch Sanktionen verhinderte Agrarexporte hingegen als russische Propaganda und wollten bis zuletzt keine Änderungen akzeptieren. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte beim Gipfel, in Brüssel seien russische Lobbyisten und Agenten sehr aktiv. Diese wollten dafür sorgen, dass die EU-Sanktionen gelockert würden.

Morawieckis Angaben zufolge ist unter anderem im Gespräch, den russischen Oligarchen Mosche Kantor von der Sanktionsliste zu streichen, der Hauptaktionär des russischen Düngemittelunternehmens Acron ist. Polen lehne dies ab, sagte der Regierungschef. Kantor sei einer der engsten Mitarbeiter Putins. "Wir fordern alle anderen Länder, insbesondere Deutschland, Frankreich und die Niederlande, auf, die Sanktionen zu verschärfen", sagte er.

Der litauische Aussenministers Gabrielius Landsbergis bestätigte, dass Litauen und Polen die Annahme des neuen Sanktionspakets aktiv blockieren. "Aus unserer Sicht schmälern die vorgesehenen Ausnahmen die Bedeutung des neunten Pakets tatsächlich sehr stark", sagte er. Diese Position werde auch von den beiden anderen baltischen Staaten Estland und Lettland unterstützt.

Länder wie Deutschland sehen hingegen eindeutige Hinweise darauf, dass die Russland-Sanktionen Nahrungs- und Düngemittelexporte einschränken könnten. So heisst es in einem im Kreis der EU-Staaten verteilten Argumentationspapier, die Niederlände hätten etliche Fälle registriert, in denen mangels geeigneter Rechtsgrundlage notwendige Ausnahmegemehmigungen für den Handel nicht erteilt werden konnten. Man sei der Auffassung, dass die aktuelle Gesetzeslage zur Kritik beitrage, dass Sanktionen den Handel beeinträchtigten.

Als Hinweis darauf wird auch gesehen, dass die EU zuletzt bei mehreren internationalen Gipfeltreffen Kritik an ihren Sanktionen hinnehmen musste - so zuletzt auch beim Gipfel der EU-Staaten mit dem Verband südostasiatischer Nationen (Asean) am Mittwoch.

Brisant ist das Thema vor allem, weil die EU öffentlich den Eindruck vermittelt, als seien die Sanktionen völlig unproblematisch. So hiess es auf der Website der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten noch am Donnerstag: "Es ist jedem gestattet, mit aus Russland stammenden Nahrungsmitteln und Düngemitteln zu handeln und diese anzukaufen, zu befördern und ihre Erlangung sicherzustellen." Nahrungsmittel und Düngemittel seien von den EU-Sanktionen ausdrücklich ausgeschlossen.

Das neunte Paket mit Sanktionen gegen Russland soll unter anderem neue Strafmassnahmen gegen russischen Banken und zusätzliche Handelsbeschränkungen umfassen. Zudem ist geplant, fast 200 weitere Personen und Einrichtungen auf die Sanktionsliste zu setzen. In der EU vorhandene Vermögen müssten dann eingefroren werden, zudem würden Einreiseverbote verhängt./aha/DP/jha

(AWP)