Zwischen den beiden Nachbarländern schwelt seit langem ein Konflikt um Erdgas. Im vergangenen Jahr wäre er fast militärisch eskaliert. Das EU-Mitglied Griechenland wirft der Türkei vor, in Meeresgebieten nach Erdgas zu suchen, die nach internationalem Seerecht nur von Griechenland ausgebeutet werden dürften. Nach Lesart Ankaras gehören diese Gebiete jedoch zum türkischen Festlandsockel.

Als Reaktion auf die aktuellen Bemühungen um Entspannung verkündete Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD), die geplanten neuen EU-Sanktionen gegen die Türkei würden zunächst nicht verhängt. "Wir haben heute keine Sanktionen gegen die Türkei beschlossen, weil wir sehen, dass es eine positive Entwicklung gibt", sagte Maas nach Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Die Entwicklungen sollten nun nicht durch Sanktionsentscheidungen belastet werden.

Die Staats- und Regierungschefs hatten ursprünglich im Dezember beschlossen, wegen nicht genehmigter türkischer Erdgaserkundungen vor Zypern weitere Strafmassnahmen auf den Weg zu bringen. Einem Gipfelbeschluss zufolge wird beim nächsten regulären EU-Gipfel am 25. und 26. März erneut über die Beziehungen der EU zur Türkei beraten.

Günter Seufert, Leiter des Centrums für angewandte Türkeistudien (CATS) in Berlin, sagte, es sei positiv zu bewerten, dass beide Seiten miteinander redeten. Schnelle Ergebnisse erwarte er aber nicht, Athen und Ankara sei daran gelegen, Zeit zu gewinnen. "Die Türkei fühlt sich in der Aussenpolitik, was die Westanbindung betrifft, auf dem Prüfstand und kann es sich im Augenblick nicht leisten, zu eskalieren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Erdogan hatte zuletzt immer wieder betont, die Beziehungen mit der EU verbessern zu wollen. Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden könnten zudem weitere Sanktionen der USA gegen die Türkei drohen, so Seufert. Die US-Regierung hatte im Dezember Sanktionen gegen den Nato-Verbündeten Türkei wegen des Einsatzes eines russischen Raketenabwehrsystems verhängt.

Griechenland wiederum wolle Zeit gewinnen, weil das Land auf eine härtere Linie gegen die Türkei von Seiten der EU hoffe, sagte Seufert. Athen wolle ausserdem die eigene Verteidigungsfähigkeit erhöhen. "Griechenland arbeitet daran, letzten Endes der Türkei auch auf dem militärischen Feld stärker gegenübertreten zu können."

Erste Sondierungsgespräche zwischen Ankara und Athen wurden im Februar 2002 geführt - die bislang letzten 2016. Traditionell geben beide Seiten offiziell nichts von Stand und Entwicklung der Gespräche preis. Die aktuelle türkische Delegation leiten TRT zufolge der Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin und der stellvertretende Aussenminister Sedat Önal, die griechische der Diplomat Pavlos Apostolidis. Das nächste Treffen werde in Athen stattfinden, berichtete die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ein Datum wurde zunächst nicht genannt.

Geht es nach Ankara, sollen alle strittigen Themen auf den Tisch kommen, darunter die jeweiligen Hoheitsgebiete und Ausschliesslichen Wirtschaftszonen (AWZ) in der Ägäis sowie die Entmilitarisierung griechischer Inseln vor der türkischen Küste und Differenzen über die jeweilige Ausdehnung des Luftraums. Athen hingegen will ausschliesslich den Erdgaskonflikt besprechen.

"Als stärkere Konfliktpartei will Ankara die Gespräche also auf die politische Ebene heben, wo es seine Macht ausspielen kann", sagte Seufert. "Bei der maritimen Grenzziehung werden beide Seiten nachgeben müssen." Bei den anderen Themen könne Griechenland nur verlieren, "weil der bisherige Status quo in seinem Interesse ist"./lsy/DP/he

(AWP)