Die EU-Direktive "MiFID II" samt Ausführungsbestimmungen und Kommentaren umfasst tausende Seiten. Das sorgt bei vielen Geldhäusern für Probleme. Die Kunden dagegen können sich freuen: Sie sind künftig besser vor falscher Beratung und versteckten Gebühren geschützt.

Die Banken stöhnen: Neben der Fülle der Vorgaben - sei es für die Dokumentation einer Anlageberatung oder die Prüfung, wieviel Verlust ein Bankkunde maximal schultern kann - sind es deren Kosten und die daraus folgenden Ertragseinbussen, die vielen Instituten Unbehagen bereiten. Zwar sind nicht alle gleichermassen betroffen. Kleinere Banken könnten allerdings in Bedrängnis geraten.

"Es gibt 10.000 Seiten juristische Texte zu MiFID. Kleinere, aber auch mittlere Banken sind mit der Komplexität überfordert", sagt Manuel Hobisch von der auf die Finanzbranche spezialiserten Beratungsfirma zeb. Und KPMG-Partner Pascal Sprenger formuliert es so: "MiFID II stellt viele Banken vor eine organisatorische wie auch finanzielle Belastungsprobe. Nicht alle werden zum Januar 2018 bereit sein." Solange sich die Nachzügler nicht zu lange Zeit lassen, sollte das kein Problem sein. Die für die Überwachung der MiFID-Einführung zuständige Exekutivdirektorin bei der Finanzaufsicht BaFin, Elisabeth Roegele, stellt eine "Aufsicht mit Augenmass" in Aussicht.

Hohe Kosten

Die Belastung der Geldhäuser fällt von Land zu Land recht unterschiedlich aus: In Deutschland oder auch Grossbritannien beispielsweise existierten viele der neuen Regeln in der einen oder anderen Form bereits, während etwa in Österreich grösserer Anpassungsbedarf besteht. Für die deutschen Banken rechnet der Lobbyverband BdB mit Kosten von bis zu einer Milliarde Euro. In der Schweiz erwartet zeb für die in einer Studie untersuchten 24 Privatbanken wegen MiFID II im Durchschnitt einen Rückgang der Nettomargen um zehn Prozent.

Die Banken in der Eidgenossenschaft stehen vor einer Sondersituation: Für sie gilt MiFID II eigentlich nicht, weil die Schweiz nicht Teil der EU ist. Allerdings bedienen die Institute traditionell viele Kunden aus dem übrigen Europa - und um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, setzen die meisten die neuen Regeln ebenfalls um. UBS-Chef Sergio Ermotti hält das grösste Schweizer Institut für gut vorbereitet, auch wenn selbst er noch nicht alle Folgen von MiFID II en detail absehen kann: "Die Effekte werden sich im Laufe des Jahres 2018 herauskristallisieren. Das ist nichts, was sich bereits am 1. Januar bemerkbar macht."

Eine der zahlreichen neuen Vorschriften besagt, dass Banken künftig keine Provisionen mehr für Anlageprodukte kassieren dürfen, die sie an ihre Kunden verkaufen. In der Vergangenheit profitierten die Institute davon, dass ein Teil der von den Kunden bezahlten Verwaltungsgebühr an sie zurückfloss. Solche versteckten Vertriebsprovisionen sind unter MiFID II nicht mehr möglich. Um das zu kompensieren, wollen viele Banken künftig Geld für Beratung verlangen. "Das kann zu schwierigen Kundengesprächen führen", erwartet KPMG-Experte Sprenger.

Aufstieg der Roboter?

Beratungsverträge lohnen sich für die Banken nur bei höheren Beträgen. "Bei Kunden mit einem Anlagevermögen von 100.000 bis 200.000 Franken wird es unter MiFID II sehr aufwendig, Beratung auf Einzeltitelbasis zu erbringen. Da stellt sich die Frage, ob der Kunde diese Beratung im Verhältnis zu seinem Vermögen bezahlen kann und möchte", sagte zeb-Partner Heinz Rubin. Weniger vermögende Kunden könnten deshalb womöglich in der Zukunft seltener einen Anlageberater aus Fleisch und Blut zu sehen bekommen. Computer - neudeutsch: Robo-Advisor - würden dann die Geldanlage übernehmen.

Der Roboter könnte jedoch für Kunden und Banker auch hilfreich sein, um das Beratungsdickicht unter MiFID II zu umgehen, erläutert der Leiter Investment und Beratung Deutschland bei der Deutschen Bank, Ulrich Christmann. Statt einem intensiven Beratungsgespräch mit nachfolgender seitenlanger Dokumentation könnte der Roboter übernehmen. "Da wird sicherlich was passieren. Aber wie schnell MiFID das Kunden- und Anlageverhalten ändert, muss man erst noch abwarten."

(Reuters)