Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, kündigte am Sonntag eine Abstimmung über die von US-Präsident Donald Trump benannte Kandidatin Amy Coney Barrett "in den nächsten Wochen" an. Er selbst wolle sich bald mit Barrett treffen und ihre Referenzen sorgfältig prüfen. Trump hatte die umstrittene Personalie am Samstag und damit mitten in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs bekanntgegeben.

Die Demokraten fürchten einen Rechtsruck im Supreme Court und damit potenziell auch in der amerikanischen Gesellschaft insgesamt. Es geht um stark umstrittene Themen wie Abtreibungs-, Religions-, Waffen- und Homosexuellenrechte - und auch um die Reform der Krankenversicherung durch den früheren US-Präsidenten Barack Obama.

Wenn der Senat grünes Licht gibt, wird die 48-jährige Katholikin Barrett wahrscheinlich Nachfolgerin der jüngst verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg. Die konservativen Richter am Supreme Court hätten damit eine Mehrheit von sechs zu drei Sitzen. Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden bekräftigte seine Forderung, dass erst der Sieger der Präsidentenwahl am 3. November über die Ginsburg-Nachfolge bestimmen solle. Laut Umfragen hat Biden Chancen, die Wahl zu gewinnen.

 

 

Barrett ist hoch angesehen im christlich-konservativen Lager, einer Kernwählergruppe Trumps. Dieser pries seine Kandidatin am Samstag als "einen der brillantesten und talentiertesten Köpfe" des amerikanischen Rechtswesens. Barrett erschien zu der Zeremonie mit ihrem Mann und ihren sieben Kindern.

Sie hat gute Chancen, den vakanten Posten im Supreme Court zu erhalten. Denn die Republikaner halten im Senat 53 der 100 Sitze. Mindestens vier ihrer Senatoren müssten zu den Demokraten überlaufen, um Barretts Bestätigung zu blockieren. Nur zwei Senatorinnen haben bislang erklärt, man sollte erst 2021 über eine Nominierung entscheiden. Nach Trumps Worten sollen die Anhörungen im Justizausschuss des Senats zur Bestätigung Barretts am 12. Oktober beginnen.

Demokraten bangen um Obamacare

Die Demokraten wollen Barrett auch deshalb verhindern, weil sie um das 2010 unter Trumps Amtsvorgänger Obama verabschiedete Krankenversicherungsgesetz fürchten, das die Republikaner rückgängig machen wollen. Mit Obamacare beschäftigt sich der Supreme Court bereits kurz nach der Wahl in mündlicher Anhörung. "Richterin Ginsburg muss sich in ihrem Grab umdrehen, wenn sie sieht, dass die Person, die sie auswählen, offenbar all das zunichtezumachen beabsichtigt, was Ginsburg getan hat", sagte der einflussreiche demokratische Senator Chuck Schumer.

Die Richterinnen und Richter am Obersten Gericht werden auf Lebenszeit ernannt. Somit könnte Trump dort möglicherweise auf viele Jahre hinaus eine klare konservative Mehrheit zementieren. Er hat in seiner Amtszeit bereits zwei Richterposten mit Kandidaten seiner Wahl besetzt.

«Richter sind keine Politiker»

Barrett war 2017 von Trump für einen Sitz am Bundesberufungsgericht in Chicago nominiert worden. Gegner eines strengeren Abtreibungsrechts befürchten, dass die bekennende Katholikin als Verfassungsrichterin für eine Aufhebung eines Urteils des Supreme Court von 1973 stimmen würde, das ein landesweites Recht auf Abtreibung festschreibt.

Als ihr Vorbild nannte Barrett den 2016 gestorbenen Supreme-Court-Richter Antonin Scalia, der als einer der wirkmächtigsten konservativen Richter in der jüngeren US-Geschichte gilt und dessen Mitarbeiterin Barrett einst war. Scalia habe einen "nicht zu überschätzenden Einfluss" auf ihr Leben gehabt, sagte sie. "Seine Rechtsphilosophie ist auch meine: Ein Richter muss das geschriebene Gesetz anwenden. Richter sind keine Politiker." Barrett wäre erst die fünfte Frau im Obersten Gericht und dessen zweitjüngstes Mitglied überhaupt. 

(Reuters)