Allerdings sind viele Wähler und Wählerinnen laut Umfragen noch unentschlossen, so dass es für den seit 2010 regierenden Politiker doch noch eng werden könnte. Im Rennen um eine vierte Amtszeit wird der 58-Jährige erstmals von einer breiten Oppositionsallianz herausgefordert.

An der Spitze dieses Sechs-Parteien-Bündnisses steht Peter Marki-Zay, Bürgermeister einer südungarischen Provinzstadt. Der 49-Jährige hatte Fidesz 2018 in einer viel beachteten Wahl nach langen Jahren aus dem Rathaus von Hodmezövasarhely vertrieben.

Wahkkampfthemen: Korruption und das Verhältnis Ungarns zur EU

Im Vorfeld der Parlamentswahl wurden frühe Wahlkampfthemen wie Korruption und das Verhältnis Ungarns zur EU zuletzt vom Krieg in der Ukraine in den Hintergrund gedrängt. Orban hat den russischen Einmarsch in der Ukraine zwar verurteilt, vermeidet aber persönliche Kritik an Russlands Präsident Wladimir Putin.

Waffenlieferungen an die Ukraine über Ungarn lehnt Orban ebenso ab wie Sanktionen im Energiesektor. Marki-Zay wirft seinem Rivalen denn auch einen Kuschelkurs gegenüber Putin vor und beschuldigt Orban, Russlands Präsidenten beim Aufbau eines "illiberalen" Staates im EU- und Nato-Land Ungarn nachzueifern. Doch bei Orbans Anhängern kommt der Balance-Akt zwischen Putin- und Bündnis-Treue offenbar gut an.

20 Prozent unentschlossen

So konnte Orbans Partei ihren Vorsprung gegenüber der Opposition seit der russischen Invasion in der Ukraine ausbauen: Die Zustimmung für Fidesz stieg im Vergleich zu einer Umfrage Ende Februar zuletzt um einen Punkt auf 40 Prozent, wie aus einer auf der Website Hvg.hu veröffentlichten Umfrage des Forschungsinstituts Median hervorgeht.

Die Oppositionsallianz, die von weit links bis weit rechts reicht, kommt auf 32 Prozent. Jedoch sind noch 20 Prozent der Wahlberechtigten unentschlossen. Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage der Denkfabrik IDEA hat indes zuletzt nur noch sechs Prozent Unentschlossene ermittelt und einen knappen Vorsprung von 41 zu 39 Prozent für Fidesz prognostiziert.

«Unbegrenzte Macht führt zu grenzenloser Korruption»

Orbans Herausforderer versuchte vor der Ukraine-Krieg vor allem mit dem Kampf gegen Bestechung und Unterschlagung zu punkten. Orbans "unbegrenzte Macht hat zu grenzenloser Korruption geführt", sagte Marki-Zay Mitte Februar. "Wir sehen die Yachten, Privatjets und Villen", erklärte der Katholik und Vater von sieben Kindern.

Gleichzeitig hätten es Millionen Ungarn schwer, mit ihrem Geld auszukommen. Marki-Zay kündigte eine Anti-Korruptionsbehörde, Lohnerhöhungen und eine Verdopplung staatlicher Kinderzuschläge an. Orbans Regierung hat die Steuerlast von Familien und jungen Leuten bereits gesenkt, die Rente erhöht und den Mindestlohn um 20 Prozent angehoben.

Inflation und der Ukraine-Krieg

Schon vor dem Krieg in der Ukraine hatte Ungarn mit einer wachsenden Inflation zu kämpfen. Zudem hat die EU im Streit über Demokratie-Standards Gelder für den Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie für das Land eingefroren, das seit der Ost-Erweiterung 2004 zur europäischen Staatengemeinschaft gehört.

Orban ist in Brüssel immer wieder auf Konfrontationskurs. Mit der Parlamentswahl findet am Sonntag auch ein von Fidesz vorangetriebenes Referendum über LGBTQ-Fragen statt. Menschenrechtler und Homosexuellen-Verbände haben dazu aufgerufen, aus Protest einen ungültigen Stimmzettel abzugeben.

Letztlich aber könnten die Kämpfe in der benachbarten Ukraine laut Experten dem Regierungschef in die Karten spielen. "Angesichts von Orbans grossem finanziellen Vorteil gegenüber der Opposition, seiner Kontrolle über die meisten Medien (...) und seiner Fähigkeit, sich den Wählern als der wahre Beschützer der Nation zu präsentieren, (...) dürfte der Ukraine-Krieg dem amtierenden Ministerpräsidenten kurzfristig helfen", erklärt Mujtaba Rahman von der Denkfabrik Eurasia Group.

(Reuters)