Autofahrer in Deutschland können seit dem 31. August 2013 überteuerte Tankstellen bequem umgehen. Denn an jenem Tag führte das deutsche Kartellamt eine Meldepflicht für Tankstellen bei Preisanpassungen ein. In Echtzeit muss jede Änderung - sei es nach oben oder unten - dem Bundeskartellamt gemeldet werden. Wer sich nicht an die Meldepflicht hält, dem droht eine saftige Busse von mindestens 100‘000 Euro.

Auf vielen Online-Portalen können so die Preise sämtlicher Tankstellen Deutschlands - das sind immerhin ungefähr 14‘500 Stationen - verglichen werden (eine Übersicht über alle Vergleichseiten Deutschlands finden Sie hier). Diese Massnahme wurde eingeführt, um den Wettbewerb zu fördern und tiefere Preise zu ermöglichen.

Debatte um Transparenz

Ein solches Gesetz ist der Schweiz fremd. Zwar existieren Online-Preisvergleiche wie benzin-preis.ch oder tanktipp.ch, doch handelt es sich dabei nicht um vollständige Informationen in Echtzeit. Viel eher melden Automobilisten Preisänderungen, die sie an Zapfsäulen - meist zufällig - beobachten.

Tankstellenanbieter selbst sind nicht dazu verpflichtet, Preisänderungen zu melden. Auf freiwilliger Basis bietet aber Migrol eine App an, wo die aktuellen Preise ihrer über 300 Tankstellen jederzeit abrufbar sind. Die restlichen Grossanbieter verzichten auf einen solchen Service.

Würde ein Gesetz, ähnlich wie in Deutschland, den Schweizer Markt etwas beleben? "Wir bezweifeln, dass mit dem deutschen System schlussendlich dem Kunden gedient ist", winkt Roland Bilang, Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, auf Anfrage von cash ab. In der Schweiz funktioniere der Wettbewerb, es herrsche völlige Transparenz bezüglich der Tagespreise an den Zapfsäulen.

Selbst vom Konsumentenschutz hört man skeptische Töne gegenüber dem deutschen System: "Die Aktion in Deutschland war etwas übereifrig", sagt Babette Sigg, Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums kf. Das Ganze sei mit einem riesigen administrativen Aufwand verbunden, da Preisänderungen ständig gemeldet werden müssten. Unter dem Strich würde dies kaum Preissenkungen bringen. "Vor allem die selbständigen, kleineren Tankstellenbetreiber verlieren im Wettbewerb", so Sigg weiter.

Am Abend tanken ist am günstigsten

In der Schweiz scheinen die grossen Verbände an einem solchem System nicht interessiert - obwohl der Konsument durchaus davon profitieren könnte. Der deutsche Automobilclub ADAC, treibende Kraft hinter der Einführung vom Meldepflichten bei Benzinpreisänderungen, hat im August 2016 ein Zwischenfazit publiziert. Grundsätzlich hat sich demnach der Wettbewerb unter den Tankstellen etwas verschärft, die Preise wurden - ähnlich wie beim transparenten Aktienmarkt - volatiler.

Im Schnitt gibt es jeden Tag pro Tankstelle rund zwei Preiserhöhungen sowie vier Senkungen. Wie stark sich die Preise in Deutschland im Tagesverlauf ändern, zeigt folgende Grafik:

Quelle: ADAC

Während der günstigste Zeitraum zum Tanken gemäss ADAC zuvor zwischen 18 und 20 Uhr war, habe sich dieser inzwischen bis 23 Uhr verlängert. Am teuersten ist Benzin zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens. Danach sinken die Preise massiv, ehe es dann im Tagesverlauf - mit Ausnahme eines leichten Mittaganstiegs - bis am Abend weiter abwärts geht.

Ob ein solches System in der Schweiz zu ähnlichen Tagesschwankungen führen würde, bleibt unklar. Die beiden Märkte Deutschland und Schweiz sind sehr unterschiedlich. Während in Deutschland um die 14‘500 Tankstellen existieren, sind es in der Schweiz knapp 3‘400. Gemessen an der Bevölkerung ist die Tankstellendichte in der Schweiz also höher, was auf einen stärkeren Wettbewerb schliessen lässt.

Darüber hinaus sind in der Schweiz Preisanpassungen beim Treibstoff generell sehr selten: BP führte 2016 in der Schweiz 21 Preisanpassungen durch, Migrol deren 23. Dies gaben beide auf Anfrage von cash bekannt. Das bedeutet eine Preisänderung alle zwei Wochen. In Deutschland hingegen sind es im Schnitt, wie oben gesehen, sechs pro Tag. Dieser grosse Unterschied ist jedoch nicht alleine auf die Meldepflicht zurückzuführen, die Preisschwankungen unseres nördlichen Nachbarn waren bereits zuvor deutlich stärker als in der Schweiz. Genaue Daten dazu liegen jedoch keine vor.

Eine spezielle Regelung gibt es übrigens auch in einem anderen Nachbarland der Schweiz: Seit Januar 2011 dürfen die Tankstellen Österreichs die Spritpreise nur um zwölf Uhr mittags erhöhen. Im restlichen Tagesverlauf sind ausschliesslich Preissenkungen erlaubt. Dieser einheitliche Umstellungspunkt soll dem Autofahrer eine bessere Orientierung und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Tankstellenbetreiber bieten, hiess es bei Einführung von offizieller Stelle.

Schweizer Autofahrer checken die Preise der grenznahen Tankstellen in Deutschland schon lange und tanken vor Ort. Während sich die Benzinpreise in Deutschland etwa auf dem Niveau der Schweizer Tarife bewegen, zahlt man in Deutschland, Frankreich oder Österreich für einen Liter Diesel rund 30 Rappen weniger als in der Schweiz.