Was Prinz Michael von Liechtenstein von traditionell-formellen Anreden für Adlige hält, macht er gleich zu Beginn klar. "Prinz Michael" sei ok. Der Zusatz "Durchlaucht", auf den er eigentlich auch Anspruch hätte, ist ihm etwas ungeheuer: "Man hätte dann irgendwie das Gefühl, ich trüge einen Bart."

Was natürlich schwer vorstellbar ist. Prinz Michael ist kahlgeschoren, gross und hager. Etwas schwer vorstellbar ist für Leute, die ihn nicht kennen und zum ersten Mal reden hören, auch die adlige Dimension seiner Familie. Er ist Cousin von Hans-Adam II, dem Fürsten von Liechtenstein. Und sein Grossvater mütterlicherseits war Karl I., der letzte Kaiser von Österreich.

Ganz bürgerlich dagegen Prinz Michael: Er begann mal ein Studium der Forstwirtschaft und wurde dann Betriebesökonom. Bei international tätigen Firmen verdiente er seinen Lebensunterhalt, unter anderem rund zehn Jahre bei Nestlé. Heute ist er geschäftsführender Präsident des Verwaltungsrates der Treuhandgesellschaft Industrie- und Finanzkontor (I&F) in Liechtenstein.

Prinz Michael von Liechtenstein war am Mittwochabend zu Gast in der der Veranstaltungsreihe "TheTalk@TheStudio", die getragen wird von Ringier und Helvetia Versicherungen. Prinz Michael, das wurde den rund 100 anwesenden Gästen bei Ringier im Zürcher Seefeld schnell klar, ist ein liberaler Geist im klassischen Sinn. Freiheit im Denken - aber auch Freiheit im wirtschaftlichen Handeln. 

Geeintes Europa

Prinz Michael verteidigt die Idee eines geeinten Europas, denn die Zukunft gehöre weltweit den Regionalgebilden und nicht den Nationalstaaten, wie er auf dem Podium mit Moderatorin Christine Maier sagte. Zentrale Grundpfeiler für Europa seien eine gemeinsame Verteidigungs- und Aussenpolitik sowie ein Binnenmarkt von Nationen, die durchaus in Konkurrenz stehen untereinander. "Eigentlich sollte Europa eine grosse Schweiz werden", sagte Prinz Michael. Europa müsse ein Europa der Vielfalt sein.

Vor dem Hintergrund dieser Aussagen wird auch klar, dass Prinz Michael vor einigen Jahren den Informationsdienst "Geopolitical Information Service" (GIS) gründete. Dieses Netzwerk besteht aus ex-Regierungsvertretern, ranghohen Militärs und Professoren, die Zukunftsszenarien erarbeiten und weltweit Zugang zu Regierungskreisen haben. Die Kunden des GIS sind vor allem globale mittelgrosse Unternehmen. Prinz Michael ist auch Präsident des Think Tanks "European Center of Austrian Economics Foundation".

Problem Nummer eins für Europa sieht Prinz von Liechtenstein vor allem im Verhältnis des "Alten Kontinents" zu Afrika und dem Nahen Osten. "Europa wird damit umgehen müssen, dass es weiterhin grosse Flüchtlingswellen aus diesen Regionen geben wird."

Russland entgegentreten

Problem Nummer zwei ist das aggressive Verhalten von Russland. Diesbezüglich trete Euopa viel zu wenig geschlossen auf, so Prinz Michael. Vonnöten sei eine verstärkte militärische Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich, Polen und am besten auch Grossbritannien, um Russland geeinter entgegenzutreten. Denn Russland verfolge das Ziel, die Region zwischen dem Baltikum und dem adriatischen Raum quasi "NATO-Truppen-frei" zu machen.

Wird es in Europa jemals wieder einen grösseren Krieg geben? "Ich kann es mir nicht vorstellen, ich kann es aber auch nicht ausschliessen", sagte Prinz Michael. Und er mahnte gleichzeitig, auch mit Blick auf Russland: "Man wird global nicht ernst genommen, wenn man sich nicht selber verteidigen kann".